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Kassen sollen Schulden nennen

Schmidt kritisiert Wartezeiten in Praxen - Barmer: Nur vereinzelt Beschwerden

Berlin (dpa). Im Zuge der geplanten Gesundheitsreform sollen die gesetzlichen Krankenkassen umgehend ihre Finanzlage offen legen.

»Wir wollen innerhalb der nächsten 14 Tage schriftlich von den Kassen wissen, wie viele Schulden sie haben«, sagte der CSU-Gesundheitspolitiker Wolfgang Zöller. »Ich möchte kein zweites Mal erleben, dass wir mit einer Gesundheitsreform die Möglichkeiten für Beitragssenkungen schaffen und die Kassen so hohe Schulden angehäuft haben, dass sie diese erst einmal abbauen müssen«, erläuterte der Unionsfraktionsvize.
Die Kassen müssten ihre Schulden vor dem Start des geplanten Gesundheitsfonds abbauen, forderte Zöller. Nach seinen Angaben soll der Fonds Mitte 2008 startbereit sein: »Ich gehe davon aus, dass der Gesundheitsfonds zum 1. Juli 2008 stehen wird. Dann muss auch der Finanzausgleich unter den Kassen neu geregelt sein.« Sollte dies nicht der Fall sein, bekämen vor allem die Kassen finanzielle Schwierigkeiten, die viele ältere oder kranke Mitglieder haben und deshalb viel Geld ausgeben müssten.
Der Gesundheitspolitiker wollte nicht ausschließen, dass der durchschnittliche Beitragssatz im nächsten Jahr um mehr als die 0,5 Prozentpunkte steigen wird, wie die Koalition prognostiziert hat. Die Entwicklung hänge auch davon ab, wie hoch die Kassen noch verschuldet seien und wie schnell sie diese Schulden abbauten. Zöller rief die Kassen zur konstruktiven Zusammenarbeit auf: »Die Kassen sollen jetzt nicht herumnörgeln, sondern sich im Interesse der Versicherten auf die Reform vorbereiten.«
Ob es durch den geplanten Gesundheitsfonds mehr oder weniger Verwaltungskosten bei den Kassen gibt, ist nach Ansicht des Gesundheitsexperten Rolf Rosenbrock noch offen. Rosenbrock warf Schmidt indirekt ein Ablenkungsmanöver vor. Die Ministerin hatte auf gestiegene Verwaltungskosten hingewiesen. Das zentrale Problem aber sei, dass der Fonds offen lasse, »woher welches Geld in Zukunft kommen soll«, sagte Rosenbrock.
Vor dem Hintergrund anhaltenden Streits um die Gesundheitsreform hat die Fachministerin Ulla Schmidt (SPD) langes Warten auf Arzttermine als »unhaltbar« kritisiert. Das muss sich ändern, denn an Fachärzten fehlt es in Deutschland nicht«, sagte Schmidt. Die Krankenkassen müssten dafür sorgen, dass die Ärzteverbände entsprechende Verträge über die Patienten-Behandlung einhalten. »Schließlich erhalten Privatversicherte oft umgehend Termine.«
Ärzte und Krankenkassen teilten dagegen mit, nur die wenigsten Patienten beklagten sich über lange Wartezeiten. In den vergangenen Wochen war ein Streit zwischen Schmidt und den Kassen wegen der Grundsatzkritik der Kassen an der Gesundheitsreform eskaliert.
»Für 85 Prozent der Versicherten ist das kein Thema«, sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Roland Stahl, der sich auf eine repräsentative Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen berief. Nur 15 Prozent hätten das Gefühl, ihr Arzt habe den entsprechenden Termin aus Budgetgründen bewusst aufs folgende Quartal legen wollen. Sieben Prozent der Patienten müssten beim Facharzt länger als drei Wochen auf einen Termin warten.
Weit mehr als 40 Prozent der Versicherten bekämen ihre Arzttermine »sofort«, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Köhler. In den Praxen selbst müssten acht Prozent nicht warten, 30 Prozent bis zu 15 Minuten, 31 Prozent bis zu 30 Minuten, 29 Prozent länger.
Auch bei Krankenkassen gibt es kaum Beschwerden wegen möglicher Wartezeiten. »Das kommt ab und zu mal vor, aber es gab keine Zunahme«, erklärte ein Sprecher der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK). Allenfalls vereinzelt komme es zu Beschwerden der Versicherten, sagte ein Barmer-Sprecher.

Artikel vom 08.08.2006