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Klinikärzte im Dauerstreik

Acht kommunale Krankenhäuser in Ostwestfalen-Lippe betroffen

Von Ernst-Wilhelm Pape
und Thomas Hochstätter
Bielefeld (WB). Die Ärzte an kommunalen Kliniken in Ostwestfalen-Lippe haben ihren Arbeitskampf verschärft. An acht Krankenhäusern wird seit gestern mindestens eine Woche lang gestreikt.

Betroffen sind das Klinikum Herford, das Krankenhaus Bad Oeynhausen, das Klinikum Detmold, das Klinikum Lemgo, das Klinikum Minden, das Krankenhaus Lübbecke sowie die Städtischen Kliniken Bielefeld-Mitte und Bielefeld-Rosenhöhe. Die Mediziner fordern mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen und einen eigenen Tarifvertrag. Für das Krankenhaus Lübbecke wurde bereits ein unbefristeter Dauerstreik ausgerufen. Die Ärzte im Klinikum Minden wollen nächste Woche Dienst nach Vorschrift machen.
Am Städtischen Klinikum Gütersloh wollen die Ärzte nach einem eintägigen Streik heute entscheiden, ob sie sich den mehrtägigen Arbeitskampfmaßnahmen anschließen.
Der Sprecher der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Michael Helmkamp, betonte, dass die Streikbereitschaft der Mediziner sehr hoch sei. Die Arbeitsniederlegungen würden so lange fortgesetzt, bis die kommunalen Arbeitgeber ein nachgebessertes Angebot vorlegten. Heute werde bei einem Treffen der Streikleiter das weitere Vorgehen festgelegt. Es zeichne sich ab, dass an einzelnen Krankenhäusern Abteilungen geschlossen werden müssten. Der weitere Schritt sei die Räumung ganzer Kliniken. Die Patienten würden dann in freigemeinnützige Häuser verlegt. Am Klinikum Minden sind bereits von 1100 Betten knapp 400 nicht belegt. In Herford ist die Auslastung um zehn Prozent gesunken. In allen Häusern sei die Versorgung von Notfallpatienten sichergestellt, sagte Helmkamp. Ferner wurde betont, dass auch Krebspatienten behandelt würden und die Arbeit in der Geburtshilfe sichergestellt sei.
In der Herforder City wollen die Streikenden heute Morgen die Bevölkerung informieren. Morgen werden die Mediziner zu einer Fortbildung der Ärztekammer im Hörsaal des Mindener Klinikums erwartet. Am Donnerstag wollen sich die Ärzte dann symbolisch bei Zweigstellen der Agentur für Arbeit im Kreis Minden-Lübbecke nach Arbeitsplätzen im Ausland erkundigen. Zum Beispiel könne in Großbritannien ein Facharzt das Drei- bis Vierfache seiner jetzigen Einkünfte in Deutschland verdienen, hieß es. Im Ausland arbeiteten bereits 12 500 deutsche Ärzte. Allein 2005 hätten 2500 Mediziner Deutschland verlassen.
Zudem wollen die Haus- und Fachärzte ihren Protest gegen die Gesundheitspolitik verschärfen. Vom 18. bis 29. September sind bundesweit Praxisschließungen geplant. Der Vorsitzende der Freien Ärzteschaft, Martin Grauduszus, geht davon aus, dass am vierten nationalen Protesttag, am Freitag, 22. September in Berlin, 90 Prozent der 100 000 Arztpraxen geschlossen bleiben. Auch eine große Zahl von Klinikärzten werde in Berlin erwartet. Grauduszus: »Viele Klinikärzte sehen ihre Zukunft in der Freiberuflichkeit und wollen eine Praxis übernehmen. Zwischen dem Arbeitskampf der Krankenhaus-Mediziner und den politischen Forderungen der niedergelassenen Ärzte gibt es viele Gemeinsamkeiten.« Zusammen müsse die sich abzeichnende Verstaatlichung des Gesundheitswesens verhindert werden. Lokalteil

Artikel vom 08.08.2006