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Libanons Truppenvorschlag
kann Kriegswende bringen

Berlin unterstützt Plan aus Beirut - Solana: UN-Truppe mit deutschen Soldaten

Beirut/Jerusalem (Reuters/dpa). Der libanesische Vorschlag zur Stationierung von 15 000 eigenen Soldaten im umkämpften Süden des Landes bringt möglicherweise eine entscheidende Wende in die Friedensbemühungen.

Israels Ministerpräsident Ehud Olmert zeigte sich offen für die Pläne und kündigte eine eingehende Prüfung an.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) begrüßte das Angebot der libanesischen Regierung, die israelischen Streitkräfte im Südlibanon durch 15 000 eigene Soldaten abzulösen, ausdrücklich. Das sei ein Beitrag zur Stärkung der Regierung in Beirut und zur Entwicklung eines unabhängigen, demokratischen und starken Libanon, sagte Steinmeier nach einem Gespräch mit dem libanesischen Ministerpräsidenten Fuad Siniora gestern in Beirut.
Olmert forderte gestern aber erneut eine internationale Schutztruppe mit robustem Mandat, um eine Rückkehr der Hisbollah in die Region zu verhindern. Frankreich zeigte sich bereit, in seinen mit den USA erarbeiteten Entwurf einer UN-Resolution Vorbehalte des Libanons einzuarbeiten.
Westliche Diplomaten werteten den libanesischen Vorschlag als mögliche Wende in den Friedensbemühungen, der eine Einigung auf eine UN-Resolution bringen könnte. Ein hochgestellter israelischer Regierungsvertreter sagte: »Jetzt können wir ins Geschäft kommen.«
Er machte aber deutlich, dass Israel eine Ausweitung des Mandats der UN-Beobachtertruppe Unifil und eine ausschließliche Präsenz der libanesischen Armee nicht für ausreichend halte.
Nach Israels Regierungschef Ehud Olmert hat auch der EU-Außenbeauftragte Javier Solana für eine deutsche Beteiligung an einer UN-Stabilisierungstruppe im Süden des Libanon plädiert.
»Sobald ein kompletter UN-Rahmen beschlossen ist, werde ich alle EU-Mitgliedsstaaten auffordern, sich an einer UN-Stabilisierungstruppe zu beteiligen - also auch Deutschland«, sagte Solana.
Er werde in dieser Richtung unmittelbar nach der Entscheidung der Vereinten Nationen über die Resolution tätig werden. Die Bundesregierung steht einer deutschen Beteiligung an einer solchen Truppe sehr zurückhaltend gegenüber und hat diese Frage bislang offen gelassen.
Im Zermürbungskampf zwischen der israelischen Armee und der libanesischen Hisbollah-Miliz hat es gestern erneut Todesopfer auf beiden Seiten gegeben. Die israelische Armee teilte mit, seit den Morgenstunden seien bei Gefechten im Südlibanon drei Soldaten getötet und fünf weitere verletzt worden. Zudem seien 25 Hisbollah-Kämpfer getötet worden. Aus Kreisen der UN- Beobachter hieß es, die israelische Armee sei im Grenzgebiet inzwischen teilweise bis zu acht Kilometer ins Landesinnere vorgerückt. Die israelische Luftwaffe drohte allen Fahrzeugen, die südlich des Flusses Litani im Libanon unterwegs sind, mit Beschuss.
Heftige Gefechte wurden aus dem vorwiegend von Christen bewohnten libanesischen Dorf Debel, sieben Kilometer von der Grenze entfernt, gemeldet. Dabei wurde ein Soldat getötet. Wie die Armee in Tel Aviv mitteilte, wurden zwei weitere Israelis bei der Ortschaft Labuna tödlich getroffen. Es habe dort eine Schießerei gegeben. Labuna liegt nahe der Küste in unmittelbarer Nähe der Grenze.
Seit Beginn der Kämpfe am 12. Juli sind 103 Israelis ums Leben gekommen, davon 65 Soldaten. Nach israelischen Angaben sind bisher etwa 450 Hisbollah-Milizionäre getötet worden. Auf libanesischer Seite starben nach Schätzungen der Regierung etwa 1000 Menschen.
Das israelische Sicherheitskabinett will heute über eine mögliche Ausweitung des Bodeneinsatzes nördlich des Flusses Litani beraten. Der Litani verläuft etwa 20 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze.
In der Nacht hatte die israelische Luftwaffe erneut Angriffe auf Ziele im Libanon geflogen. Nach israelischen Medienberichten wurden etwa 80 Punkte angegriffen. Darunter seien 42 Gebäude der Hisbollah gewesen.
In der Umgebung der südlibanesischen Stadt Tyrus kam der Verkehr gestern zum Erliegen, nachdem Israel auf Flugblättern mit der Bombardierung von Fahrzeugen gedroht hatte.
Im Norden Israels schlugen erneut mehr als 60 von der Hisbollah abgefeuerte Katjuscha-Raketen ein. Es gab jedoch keine Berichte über Verletzte.

Artikel vom 09.08.2006