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Soko Pinguin schlägt eiskalt zu

Durchsuchungen in Salzkotten, Rheda-Wiedenbrück und Minden

Von Ernst-Wilhelm Pape
Rheda-Wiedenbrück (WB). Beamte der Sonderkommission »Pinguin« der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls schlugen gestern gegen 15 Uhr in drei von vielen Gästen besuchten Eisdielen in Ostwestfalen-Lippe zu.

In den Innenstädten von Rheda-Wiedenbrück, Salzkotten und Minden wurden nicht nur Eiscafés, sondern auch Wohnunterkünfte und Büros durchsucht. Wie in 52 anderen deutschen Städten hätten Ermittler umfangreiches Beweismaterial sichergestellt und zahlreiche Zeugen vernommen, sagte gestern Abend der Sprecher der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Dr. Heinz Michael Horst, dieser Zeitung.
Wenige Minuten zuvor waren vier mutmaßliche Chefs einer Schleuserbande festgenommen worden. Hierbei kamen Spezialkräfte zum Einsatz, da es Hinweise auf die Gewaltbereitschaft der Täter gegeben hatte. Bei der Verhaftung der Täter sowie den Razzien sei niemand verletzt worden. Gegen die Beschuldigten lagen bereits Haftbefehle vor.
Die Bandenmitglieder waren vor dem gestrigen Zugriff mehrere Tage observiert worden. Erst nach ihrer Verhaftung um 15 Uhr wurde die Razzia der 1800 Einsatzkräfte gestartet. Allein 1600 Beamte wurden von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit eingesetzt. Einer der Haupttäter, ein 46 Jahre alter Italiener, wird in Kreisen der Ermittler als der »Wahnsinnige« bezeichnet. Er soll bis zu 350 Mal am Tag mit verschiedenen Handys telefoniert haben. Die Gespräche wurden abgehört und werden jetzt ausgewertet.
Ausgelöst wurde das Ermittlungsverfahren, als der Zoll bei Routine-Prüfungen auf auffällige Verbindungen zwischen mehreren Eisdielen in NRW stieß. So soll Personen zeitgleich in mehreren Eiscafés zu Billiglöhnen gearbeitet haben. Es wurden immer mehr mutmaßliche kriminelle Aktivitäten aufgedeckt. Hierbei stießen die Fahnder des Zolls auf ein bundesweites Netzwerk von Eisdielen, Wohnunterkünften und Büros, um die illegale Beschäftigung zu verschleiern. Zunächst wurden die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft Paderborn aufgenommen. Aufgrund der Größe des Verfahrens wurde die Schwerpunktabteilung für Wirtschaftsstraftaten in Bielefeld mit den weiteren Ermittlungen betraut.
Die Schleuserbande soll gesteuert durch einen Haupttäter bis zu 9000 Arbeitskräfte im Ausland angeworben haben und per Auto nach Deutschland gebracht haben. Dafür sollen Transport- und Vermittlungsprovisionen gezahlt worden sein.
Die illegalen Arbeitnehmer, vor allem Frauen aus Osteuropa, sollen sechs bis sieben Tage je Woche je zehn bis 14 Stunden zu minimalen Stundenlöhnen von 1,50 bis zwei Euro beschäftigt worden sein. Das entspricht einem Monatslohn von 360 bis 790 Euro. Die Frauen sollen von den Haupttätern je nach Arbeitsanfall beliebig in unterschiedlichen Cafés, aber auch als Reinigungs- und Haushaltshilfen eingesetzt worden sein.

Artikel vom 07.08.2006