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Sansar dominiert Minifeld

Leichtathletik: Raddatz ebenfalls zweifache Westfalenmeisterin

Von JörgManthey
Bielefeld (WB). Elias Sansar (TuS Eintracht), Eva-Maria Raddatz, Sandra Schulz (beide VfB Fichte), Nina Schüler, Franziska Schmidt und Simone Noltenhans (alle SV Brackwede): Lediglich sechs Bielefelder Aktive mischten bei den Offenen Leichtathletik-Westfalenmeisterschaften der Männer und Frauen sowie den westdeutschen Juniorentitelkämpfen im Stadion Rußheide mit. Mit fünf Goldmedaillen plus je einmal Silber und Bronze konnte sich die Ausbeute im 400-köpfigen Feld indes sehen lassen.

Leider nahm Kugelstoß-Mitfavorit Tilman Northoff sein Startrecht nicht wahr. VfB Fichte-Trainer Heinz Klatt hat »seit Monaten keinen Kontakt mehr« zu dem deutschen M 35-Seniorenmeister und rätselte: »Auf Anrufe reagiert er nicht. Die Saison ist für ihn ja nicht so gut gelaufen. Wahrscheinlich hat Tilman zurzeit die Nase voll, legt einfach mal eine Pause ein und ist mit der Familie in den Urlaub gefahren«.
Obwohl er sich vorher »ziemlich schlapp« wähnte und im Sommer das Bahntraining angesichts seiner Berlin-Marathon-Ambitionen arg vernachlässigt hat, zeigte Hermannslaufsieger Elias Sansar der kleinen Konkurrenz Über 1500 Meter (3:53,31 min) und 5000 Meter (14:54,23 min) die Hacken. »Taktisch ganz stark gelaufen«, lobte Betreuer Bernd Johann auf der Heide, nachdem sein Schützling im 1500 m-Schlussspurt den schimpfenden Claudius Hoff (TV Wattenscheid) überflügeln konnte. »Wir kann man bloß vier Leute laufen lassen«, echauffierte sich der über das Minifeld. Über die 5000 Meter, die er 47 Sekunden über seiner Bestzeit beschloss, hatte Sansar in Pascal Hille (ESV Münster) gar nur einen Widersacher, der zudem entnervt aufgab.
Mit 1,64 Metern im Hochsprung bestätigte Eva-Maria Raddatz (VfB Fichte) ihre Vorleistung und sicherte den Titel bei den Frauen, nachdem sie morgens mit 5,58 Metern bereits Weitsprung-Silber erkämpft hatte. Im 800 m-Endlauf (2:27,51 min) wurde sie als einzige Frau gewertet. »Da habe ich mit 24 zum alten Eisen gehört«, wunderte sich Raddatz.
Mit 4:44,05 Minuten über 1 500 Meter glänzte die beherzt laufende Nina Schüler (SV Brackwede) mit einer neuen persönlichen Bestzeit. Die 26-jährige »zog« SVB-Teamgefährtin Franziska Schmidt (4:47,11 min) auf Rang zwei.
Sandra Schulz vom VfB Fichte verfehlte ihr angestrebtes Ziel, die Qualifikation für die deutschen Juniorenmeisterschaften Ende August in Bautzen zu schaffen. Mit 4:51,65 Minuten blieb die 21-Jährige als Dritte über ihren Möglichkeiten. »Ich bin froh, dass ich überhaupt ins Ziel gekommen bin. 200 Meter vor dem Ziel haben meine Beine nicht mehr funktioniert. Ich dachte, ich knic-ke weg«, sagte sie erschöpft.
Die Brackweder W 30-Jungseniorin Simone Noltenhans wurde über 100 Meter (13,74 sec) Vorlaufletzte und mit 5,05 Metern Metern Siebte im Weitsprung der Frauen. Arminias Konditionstrainer Thomas Menne (LG Bünde-Ahle/Löhne) landete im Speerwurfwettbewerb der Männer mit 54,34 Metern auf Rang vier.
Von den Verbandsoffiziellen wurde das rührige Organisationskomitee um Gerda Winkler mit Lob überhäuft. Hans Schulz (Recklinghausen) als Vorsitzender des Verbands-Leichtathletik-Ausschusses zeigte sich »sehr zufrieden mit dem, was hier logistisch aufgeboten wird«, bedauerte gleichzeitig aber auch die verschwindend geringe Anzahl an Lokalmatadoren. »Bielefelds große Zeiten sind wohl vorbei. In den 70er und 80er Jahren war die Metropole eine Leichtathletik-Hochburg, ein Nest für Talente«.
Angesichts der guten Trainingsmöglichkeiten mit Seidensticker Halle und dem frisch aufpolierten Stützpunkt Rußheide erscheint Schulz dieser Widerspruch rätselhaft. »Wahrscheinlich wird hier von der schulischen Seite zu wenig getan, ist die Talentsichtung nicht ausgeprägt genug«.
Mit Blick auf die teilrenovierte Rußheide samt dem neu erstellten Hammerwurf- und Diskuswurfring lobte Westfalens Sportwartin Christina Geiseler (Menden): »Die Investitionen haben sich gelohnt. Mit der Vergabe dieser Titelkämpfe an Bielefeld versuchen wir etwas zurückzugeben. Wir wissen, was hier im Vorfeld für gute Arbeit geleistet wird. Gerda Winkler und ihr Team setzen hohe Maßstäbe an und bürgen für eine gewisse Qualität«, die ich nicht überall habe«.
Den reibungslosen Ablauf der Großveranstaltung, die mehr Zuschauer verdient gehabt hätte, resümierte Kreisjugendwart Gregor Winkler seufzend so: »Bielefeld kann leichtathletisch viel mehr, als es sich im Moment darstellt. Wir müssen uns kritisch hinterfragen, ob wir etwa ausreichend Qualität an Trainern haben, wie es um die Werbung in der Öffentlichkeit bestellt ist oder ob wir die vorhandene Infrastruktur wirklich optimal ausnutzen?« Diese Meisterschaften hätten wieder einmal gezeigt, »was hier geht. Das war beste Werbung für die olympische Kernsportwart und den Standort Bielefeld«.
KLA-Chefin Gerda Winkler hegte die Hoffnung, »dass die Vereine etwas für sich herausziehen«. Das kleine Häuflein heimischer Spitzenathleten (»Wirklich schade für die Aktiven«) ließ sie natürlich die Stirn runzeln. Eigentlich muss etwas passieren, doch Gerda Winkler kennt ihre Pappenheimer. »Die Vereine wollen lieber in ihren alten Strukturen und Bahnen verweilen und keine Hilfe von außen«.

Artikel vom 07.08.2006