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Im Handkarren
statt im Sarg

Heinrich IV. starb vor 900 Jahren

Von Dietmar Kemper
Paderborn (WB). Als Heinrich IV. heute vor 900 Jahren starb, geriet sein Begräbnis zu einem unwürdigen Schauspiel. »Der König ruhte einsam und allein fünf Jahre in einer ungeweihten Kapelle«, weiß Matthias Wemhoff.
Heinrich IV. durfte nicht in geweihte Erde.

Der Direktor des Paderborner Museums in der Kaiserpfalz wählte für die Ausstellung »Canossa 1077: Erschütterung der Welt« (bis 5. November) einen Handkarren, um den für die Menschen im Mittelalter unfassbaren Vorgang darzustellen. Nachdem Papst Gregor VII. den Salierherrscher 1080 zum zweiten Mal gebannt hatte, habe der Monarch nicht in geweihte Erde gedurft, erläuterte Wemhoff. Heinrich IV. starb am 7. August 1106 in Utrecht. Nachdem er dort begraben worden war, verlangte ein päpstlicher Legat einen Tag später die Exhumierung. Heinrichs Leute brachten den Leichnam nach Speyer. Dort lag er fünf Jahre in der ungeweihten Afra-Kapelle, ehe 1111 der Kirchenbann gelöst wurde und der Sohn seinen Vater im Familiengrab im Dom bestatten durfte.
Die zweimalige Exkommunikation für einen Herrscher, der sich selbst von Gott berufen fühlte und ganz selbstverständlich glaubte, Äbte und Bischöfe einsetzen zu dürfen (Investitur), erschütterte die Menschen im Mittelalter zutiefst. Sich des Seelenheils zu vergewissern, sei für sie das Wichtigste gewesen, berichtet der Geschäftsführer der Ausstellungsgesellschaft Canossa, Christoph Stiegemann. Die Darstellung von Teufeln und Dämonen habe die Kunst geprägt, in Chroniken finde sich immer wieder die Sorge, die Welt sei »friedhofsreif«.
Ausgelöst hatte die Erschütterung in den Köpfen der Gang nach Canossa. Der aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgestoßene König Heinrich IV. bittet im Januar 1077 im Büßergewand Papst Gregor VII. darum, ihm vom Bann zu lösen. Als er 29 Jahre später stirbt, ist er erneut exkommuniziert, sein eigener Sohn Heinrich hat ihn zur Abdankung als König gezwungen. Stiegemann spricht vom »harten Tod der Helden« und schließt Papst Gregor mit ein. Nachdem immer mehr Kardinäle von ihm abgefallen waren und Gegen-Papst Clemens III. Heinrich zum Kaiser gekrönt hatte, verließ er Rom und starb 1085 in der Verbannung in Salerno.

Artikel vom 07.08.2006