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Schmidt will Auflösung
der Kassenverbände

Gesundheitsreform: Vorbehalte bei Union und SPD

Berlin (dpa). Zur Kostensenkung im Zuge der Gesundheitsreform hat Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) eine Auflösung der sieben Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen angekündigt.

Die Bundesregierung werde diese durch einen Dachverband ersetzen, betonte Schmidt. Auch auf Landesebene reiche ein Dachverband für alle Krankenkassen. Aus Sicht der Ministerin wehren sich die Kassen aus reinem Besitzstandsdenken gegen eine überfällige Neuordnung. Niemand könne schlüssig begründen, »warum wir noch immer 250 Krankenkassen benötigen«. Die Verwaltungskosten der Kassen seien seit 1995 von 6,1 Milliarden Euro auf 8,2 Milliarden gestiegen.
Im Gegensatz zu Ministerin Schmidt bezweifelt der Wirtschaftsweise Bert Rürup, dass Krankenkassenfusionen zu niedrigeren Verwaltungskosten führen. »Die vorliegenden Daten legen sogar eher den umgekehrten Schluss nahe, nämlich den, dass gesetzliche Krankenkassen mit zunehmender Größe eher kostenungünstig arbeiten«, sagte Rürup.
Aus CDU/CSU und SPD kam erneut Kritik an der Gesundheitsreform. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) forderte eine Generalrevision. Die geplanten Beitragserhöhungen seien »schlecht für Arbeitsplätze und Wirtschaft«. Die Kassen sollten nur noch für den Gesundheitsbereich zahlen. »Private Risiken, vom Rauchen über schädliches Übergewicht bis zum Extremsport müssen endlich selbst getragen werden.«
Ähnlich äußerte sich der Parlamentskreis Mittelstand der Unionsfraktion. »Der Spiegel« zitierte aus einer Bewertung, die Reform erfülle »keineswegs die Notwendigkeiten und im Vorfeld genährten Hoffnungen auf eine umfassende Strukturreform«. Die Krankenversicherung müsse »auf medizinisch notwendige Kernleistungen« beschränkt werden.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Laurenz Meyer, sagte dem Magazin »Focus«, als Wirtschaftspolitiker hätte er sich »schon gewünscht, dass wir die Beiträge in viel stärkerem Maße von den Arbeitskosten abkoppeln«. Wenn die SPD Mut hätte, könnte man ganze Blöcke aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgliedern und so den Beitragssatz auf zehn Prozent senken.
Schleswig-Holsteins Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) sagte, sie sei »keine Freundin« des Gesundheitsfonds. Dieser mache nur Sinn, wenn man die Privaten einbinde und mehr Steuern heranziehe.
FDP-Chef Guido Westerwelle nannte es inakzeptabel, dass die Bundesregierung bereits Zeitungsanzeigen zur Gesundheitsreform schalte, obwohl noch nicht einmal ein Gesetzentwurf vorliege. Dies sei eine Veruntreuung von Steuergeldern. »Und das wird den Rechnungshof noch beschäftigen.«
Festpreise für Medikamente könnten nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel« schon bald Vergangenheit sein. Im Eckpunktepapier zur Gesundheitsreform habe die Bundesregierung die Freigabe der Arzneipreise festgeschrieben und wolle künftig nur noch Höchstsummen vorgeben. Wenn die Reform Gesetz werde, könnten die Apotheken diese Preise beliebig unterbieten.
Eine Sprecherin der Gesundheitsministerin sagte, es liege dann im Ermessen der Apotheker, ob sie ihre Gewinnspannen knapper kalkulierten oder sich zusammenschlössen, um bei Pharmaindustrie oder Kassen bessere Konditionen herauszuholen. Der Startschuss zum Arznei-Preiskampf fiele zusammen mit der Expansion des Medikamente-Versandhändlers DocMorris nach Deutschland, der in Saarbrücken eine Apotheke übernommen hat.

Artikel vom 07.08.2006