05.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Leonardo da Vinci

»Ein wahrer Freund ist wie du selbst, der Feind aber ist anders als du, und das ist
seine Stärke.«

Leitartikel
Guter Rat in ratloser Zeit

»Bewaffnet, doch als Friedensheld«


Von Rolf Dressler
Wieder einmal zerfetzen im gefährlich nahen Nahen Osten Bomben und Granaten Städte und Dörfer, Land und Leute. Doch gerade auch hier im Nach-WM-Deutschland lässt sich die »Friedensbewegung« nirgendwo blicken. Offenbar ist sie immer nur dann so richtig auf Protest und Krawall gebürstet, wenn die »bösen Amis« in ihren Augen (angeblich) etwas verbrochen haben oder sich dazu anschicken.
Gegenwärtig verbreitet man sich zum Beispiel darüber, ob die Kämpfe im Libanon bereits »Krieg« seien oder (noch) nicht. Ein solchermaßen angesprochener Uni-Professor hält schon die bloße Frage für entbehrlich, weil Krieg als Rechtsbegriff weitgehend ausgedient habe und damit im 20. Jahrhundert ohnehin reichlich Missbrauch getrieben worden sei.
Wohlfeiles Theoretisieren dieser und ähnlicher Art aus vermeintlich sicherer Entfernung muss den Menschen im libanesisch-israelischen Kampfgebiet wie blanker Hohn erscheinen. Gleiches gilt für den makaber-frivolen Gelehrtenstreit darüber, wer von beiden in der aktuellen Zuspitzung als erster »exzessive Gewalt« ausgeübt habe: die von Syrien und dem Iran hochgerüsteten, verniedlichend »Milizen« genannten Guerillas der Hisbollah oder Israels Armee.
Hunderte Raketen hatten die »heiligen Gotteskrieger« in den letzten sechs Jahren auf Israel abgefeuert. Dutzende Israelis, wehrlose Zivilisten vor allem, wurden so hingemetzelt. Das ist kalt berechnende vorsätzliche Gewaltanwendung, zumal deren Verursacher nach eigenem finsteren Bekunden nicht eher ruhen wollen, bis sie ihrem Todfeind Israel den Garaus gemacht haben. Wenn das nicht Gegengewalt rechtfertigt, was denn wohl dann?
»Wir werden zu Ende bringen, was Adolf Hitler leider nicht gelungen ist!« höhnten noch unlängst Palästinenser-Aktivisten in Beirut - und entboten einer konsternierten Besuchergruppe aus Deutschland höhnisch den sogenannten Hitler-Gruß.
Apropos: Seit Hitlers Schreckensherrschaft galt es als weltmeinungsmächtig unumstößlich, dass der Tod nur »ein Meister aus Deutschland« sein könne. Und wieviel zählen jene 20 Millionen Toten und 150 Kriege allein zwischen 1945 und 1989? Und die abermillionen Opfer der krisenreichen letzten 60 Jahre im ganzen?
Von Wilhelm Busch stammt das Gedicht »Hilfreicher Friede«:
Ganz unverhofft, an einem Hügel,
sind sich begegnet Fuchs und Igel.
Halt! rief der Fuchs, du Bösewicht!
Kennst du des Königs Ordre nicht?
Ist nicht der Friede längst verkündigt
und weißt du nicht, dass jeder sündigt,
der immer noch gerüstet geht?
Im Namen seiner Majestät,
geh her und übergib dein Fell.
Der Igel sprach: Nur nicht so schnell!
Lass dir erst deine Zähne brechen,
dann wollen wir uns weiter sprechen!
Und allsogleich macht er sich rund,
schließt seinen dichten Stachelbund
und trotzt getrost der ganzen Welt
bewaffnet, doch als Friedensheld ...
Hilfreiche Gedanken, fürwahr. Nur, welche Lehren zieht unsere Welt daraus - heute und morgen?

Artikel vom 05.08.2006