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Leitzins auf drei Prozent erhöht

EZB will der Inflationsgefahr vorbeugen -Ɗweitere Anhebungen möglich

Frankfurt (dpa). Zum ersten Mal seit sieben Jahren sind die Zinsen im Euro-Raum wieder auf drei Prozent geklettert und werden weiter steigen. »Wenn unser Szenario sich bestätigt, werden wir die Zinszügel weiter anziehen«, sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, gestern in Frankfurt.

Der EZB-Rat hatte zuvor auf seiner Sitzung den Schlüsselzins von 2,75 auf 3,00 Prozent angehoben. Damit will die Notenbank die hohe Inflation bekämpfen, die von den Rekordölpreisen angeheizt wird. Auch wegen der gut laufenden Konjunktur hält die EZB das bislang niedrige Zinsniveau nicht mehr für notwendig.
Zuletzt hatten die Leitzinsen Ende 1999 die Drei-Prozent-Marke übersprungen und waren bis auf 4,75 Prozent angestiegen. Mit dem verschärften Kurs will die EZB Entschlossenheit demonstrieren, Inflation im Euroraum zu verhindern. Die Teuerung hatte im Juli mit 2,5 Prozent weiter über der entscheidenden Schwelle verharrt. »2006 und 2007 wird der Preisauftrieb über zwei Prozent bleiben«, sagte Trichet. Die Währungshüter fürchten, dass Arbeitnehmer höhere Löhne als Ausgleich für ihre Mehrkosten bei Benzin und Heizöl fordern und damit die Preisspirale erst richtig in Gang setzen. Bei der Abstimmung im Rat gab es im Gegensatz zu früheren Entscheidungen augenscheinlich einige Enthaltungen, da Trichet lediglich von einer »überwältigenden Zustimmung« für die Zinserhöhung sprach.
Auch die Bank von England erhöhte gestern wegen der Inflation und der robusten Konjunktur die Zinsen um 25 Basispunkte auf 4,75 Prozent. Die Dänische Zentralbank hob den Leitzins ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte auf 3,25 Prozent.
Die EZB-Zinsanhebung wirkt sich für die Verbraucher unterschiedlich aus. Während Kredite und Baudarlehen teurer werden, können sich Anleger über mehr Ertrag ihrer Sparkonten freuen. Die Banken reichen die höheren Zinssätze aber nur teilweise und mit zeitlicher Verzögerung an die Kunden weiter.
KREDITE: Für Schulden müssen Verbraucher künftig höhere Zinsen zahlen. Die Banken und Sparkassen ziehen üblicherweise schnell nach und erhöhen die Sätze für Dispo-, Überziehungs- und Ratenkredite.
ANLEIHEN: Kurse und Renditen von Anleihen sind Marktpreise und hängen nicht unmittelbar vom Leitzins ab. Allerdings spiegeln sich in den Renditen von Staatsanleihen die Erwartungen der Anleger - unter anderem mit Blick auf die Inflation - wider.
SPARGUTHABEN: Sparern und Anlegern bringt die Erhöhung Vorteile - vor allem, da die EZB auf weitere Zinsanhebungen in diesem Jahr zusteuert. Bei den Sparzinsen ist das Tempo der Anpassung nach oben aber langsamer. Festgeld und Sparbriefe erhalten ein Zinsplus.
BAUKREDITE: Für Häuslebauer sind die langfristigen Zinsen am Kapitalmarkt entscheidend. Sie können, müssen aber nicht unbedingt mit dem Leitzins steigen. Immobilienkäufer, die einen Vertrag mit variabler Verzinsung abgeschlossen haben, müssen sich auf höhere Zinsen einstellen. Die langfristigen Hypothekenkredite bleiben dagegen weiter günstig.

Artikel vom 04.08.2006