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Russlands Zoll berüchtigt

Hilfskonvoi startet trotzdem heute in Extertal nach Slavsk

Von Bernhard Hertlein
Extertal (WB). »Wir tun es, weil unsere Hilfe weiter gebraucht wird«, sagt Martin Schröder. Der pensionierte Lehrer aus dem Extertaler Ortsteil Silixen (Kreis Lippe) fährt seit 1992 regelmäßig Hilfsgüter in die Gemeinde Slavsk, dem früheren Heinrichswalde in Nordostpreußen.

Heute wird Schäfer gemeinsam mit einigen Helfern erneut mit drei Lastwagen und zwei Bullis in den heute russischen Oblast Kaliningradzkaja aufbrechen. Im Gepäck haben sie vor allem Kleidungsstücke, die in Slavsk vor allem an arme Rentner, Kranke Behinderte, an die Mittelpunktsschule und an ein Kinderdorf ausgegeben werden. Mit dabei ist neben den Lippern die Diakoniegemeinschaft Puschendorf im fränkischen Landkreis Fürth. Dorthin zog es vor ein paar Jahren den früheren Pfarrer von Extertal. Das Engagement im Verein »Freunde für Russland« verbindet ihn weiter mit seiner früheren Kirchengemeinde.
Schäfer kommt sich bei dem Transport allmählich vor wie der letzte Mohikaner: »Früher kam es an der Grenze oft zu einem großen Zusammentreffen mehrerer Hilfskonvois. Heute begegne er allenfalls noch dem Deutschen Roten Kreuz.
Schuld daran, dass viele andere ihre Hilfe eingestellt haben, trage vor allem der russische Zoll. In diesem Punkt fühlte sich Schäfer in der gestrigen Zeitung von dem Bericht »Spendengelder für Insterburg lagern beim russischen Zoll«ĂŠvoll und ganz bestätigt. Ähnlich wie Hermann Fürwitt, Ex-Bankdirektor und Organisator der Russland-Hilfe im pfälzischen Kirchheimbolanden, wurden die Lipper sogar ebenfalls schon absurderweise mit dem Vorwurf des Drogenschmuggels konfrontiert. Der Grund: Unter den Tonnen von Medikamenten, die mit dreieinhalb Sattelschleppern in die Region transportiert wurden, war auch ein anerkanntes und teures Narkosemittel. Die Deutschen waren längst wieder abgereist, als ein paar Packungen an falscher Stelle auftauchten. Die Reaktion folgte auf dem Fuß: Der Leiter des nächsten Konvois, immerhin ein Regierungsdirektor in der Düsseldorfer Staatskanzlei, wurde trotz Visum beim nächsten Transport einfach nicht ins Land gelassen und musste unverrichteter Dinge wieder abreisen. Seitdem haben die Extertaler Medikamente von ihrer Hilfsliste gestrichen.
Bei der vorigen Reise gab es dann Probleme mit Brillen. Schäfer musste für die Spende eines Augenoptikers beim Zoll noch 300 Euro bezahlen.
Trotzdem und obwohl die Spenden nicht mehr so üppig fließen wie noch vor Jahren will Schäfer weiter machen. Außer dass sich die Lage für die Armen auf dem Land nicht wirklich entscheidend verbessert habe, seien da die menschlichen Verbindungen, für die er die Repressalien am russischen Zoll »mit möglichst großer Gelassenheit« ertrage. An erster Stelle steht in diesem Zusammenhang der Austausch von Schülergruppen. So ist geplant, dass der Konvoi bei der Rückfahrt 14 Schüler aus Slavsk mitnehmen wird. In Externtal werden diese 14 Tage lang die Schule besuchen und das deutsche Familienleben kennen lernen.

Artikel vom 04.08.2006