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Lippischer Obstbauer verlangt Schadenersatz

Teurer Einsatz von Langzeitarbeitslosen bei der Ernte

Von Bernhard Hertlein
Bad Salzuflen/Rahden (WB). Die Obstbauern in OWL sind sauer. Die Langzeitarbeitslosen, die sie in diesem Jahr bei der Ernte einsetzen müssen, bringen mehrheitlich nur einen Bruchteil der Leistung der bisherigen polnischen Saisonhelfer. Nun will der erste Betrieb mit der Forderung nach Schadenersatz vor Gericht ziehen.

Mal fehlt es an der Motivation, mal an den Fähigkeiten. Unterm Strich hatten die von der Detmolder Agentur für Arbeit zugewiesenen Arbeitslosen auf den Salzufler »Obstplantagen Schemmel« nur ein Zehntel oder gar ein Zwanzigstel der Menge Erdbeeren im Korb, die ihre osteuropäischen Kollegen in der gleichen Zeit einsammelten. »Um rentabel zu sein, müsste die Schale Erdbeeren unter diesen Umständen acht Euro kosten«, sagt Georg Schemmel. So viel ist natürlich kein Verbraucher bereit, zu bezahlen. Der Preis schwankt von 1,50 bis 3 Euro.
Bundesweit verdingten sich im vergangenen Jahr 320 000 ausländische Erntehelfer bei deutschen Landwirten. Für die Vermittlung kassierte die Bundesagentur für Arbeit nach Angaben Schemmels 18 Millionen Euro. Der Lipper beschäftigt selbst in seiner Plantage das Jahr über 1300 Erntehelfer -Êzusätzlich zu den 25 festangestellten Arbeitskräften. Er beliefert neben Großmärkten unter anderem Rewe und Edeka mit Spargel, Äpfel, Pflaumen sowie Erd- und anderen Beeren.
In diesem Jahr verpflichtet die von der Bundesregierung erlassene »Eckpunkteregelung« die Landwirtschaft, 20 Prozent der Saisonstellen mit Langzeitarbeitslosen zu besetzen. Für Schemmel wurden aus tausend 67 ausgewählt. Von ihnen erschienen 40 zum Dienst. »Nur vier brachten nach ein paar Tagen ungefähr die Leistung eines polnischen Erntehelfers«, sagt der Betriebschef.
So schnell war kein Ersatz erhältlich. Also blieb ein Teil der Früchte auf den Feldern. Schemmel beziffert den Schaden auf mehr als 10 000 Euro. Dieses Geld will er wieder haben. Der stellvertretende Vorsitzende im Landesverband Obstbau Westfalen-Lippe, dem 174 Großbetriebe angehören, lässt derzeit von seinem Rechtsanwalt prüfen, wer -Êdie Agentur für Arbeit, die Vermittler von der Arge oder die Arbeitskräfte selbst - für den Schaden verantwortlich gemacht ist.
Bei den Kollegen stößt Schemmel auf Verständnis. Der Höxteraner Klaus Wittrock sagte dieser Zeitung aufgrund ähnlicher Erfahrungen: »So wie jetzt können die Dinge nicht weiter laufen.«ÊDer Deutsche Bauernverband übergab 400 Beschwerdebriefe. »Das System ist gescheitert und sollte schleunigst geändert werden«, erklärte Hans-Heinrich Berghorn, Pressesprecher des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes.
ÊDer Rahdener CDU-Landtagsabgeordnete Friedhelm Ortgies gehört zu denen, die die Zwangsverpflichtung von Langzeitarbeitslosen von Anfang an abgelehnt haben: »Die Arbeit funktioniert nur, wenn die Leute sie freiwillig übernehmen.« Andere Lösungen seien praxisfern und gingen zu Lasten der Bauern. Ortgies kündigte an, das Thema auf die Tagesordnung der nächsten CDU-Agrarsprechertagung zu bringen. Ziel sei es, die Regelung notfalls über den Bundesrat zu kippen.

Artikel vom 04.08.2006