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Scharping hat es eilig

Radsport fordert mehr Kontrollen und bessere Gesetze

Von Sören Voss
Bad Tölz (WB). Fünf Wochen nach der Suspendierung von Jan Ullrich wappnet sich der deutsche Radsport mit schwerem Geschütz für den Kampf gegen Doping. Am Rande der Deutschland-Tour wurde ein ehrgeiziger Maßnahmenkatalog erarbeitet, der bereits am 1. September in Kraft treten soll.

Mehr als drei Stunden saßen Vertreter von Mannschaften, Sponsoren, Veranstaltern und Ärzten am Samstagabend in Bad Tölz zusammen. Danach ließ es sich Radsportverband-Präsident Rudolf Scharping nicht nehmen, die Ergebnisse zu verkünden: »Die Sportler sollen künftig mehr und besser kontrolliert werden. Wir fordern die Unter-Strafe-Stellung von Besitz, Gebrauch und Handel mit Dopingmitteln.«
Der ehemalige Verteidigungsminister war sichtlich erfreut, dass er nach dem zweiten »Runden Tisch« binnen sieben Tagen konkrete Ergebnisse mitteilen konnte. So soll es 50 Prozent mehr unangemeldete Fahrerkontrollen im Lizenzbereich geben. Auch bis zur Jugend (U15) soll mehr nachgeprüft werden. Von jedem Profi soll am Anfang seiner Karriere ein individuelles Leistungsprofil mit der körperlichen Beschaffenheit erstellt werden, das für alle Befugten jederzeit einsehbar ist. Bei Abweichungen drohen sofortige Sperren. Schon von September an soll zudem ein unabhängiger Arzt Einsicht in alle medizinischen Daten und Kontrollen der Fahrer bekommen, um die Teamärzte zu überwachen.
Als Geldgeber des Projektes sitzen die deutschen Rennställe T-Mobile, Gerolsteiner und Milram mit im Boot. »Wir sind absolut auf dem richtigen Weg. Deutschland übernimmt eine Vorreiter-Rolle«, erklärte Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer.
Aber sportliche Sperren des Radsport-Verbandes sollen nicht die einzigen Sanktionen bleiben. Abschreckende Signalwirkung erhofft sich der deutsche Radsport von einer neuen Gesetzgebung. »Wir wollen, dass der Besitz, der Gebrauch und die Weitergabe von Dopingmitteln gesetzlich unter Strafe gestellt werden«, sagte Scharping. Noch in der kommenden Woche werde man eine entsprechende Forderung an den Bundestag weitergeben.
Wichtig ist dem Chef des Bundes Deutscher Radfahrer, »an die Hintermänner und ihre Netzwerke« heranzukommen, denn Pfleger und Ärzte, aber auch die Dopinghändler seien für ihn die Verführer: »Das Gesetz muss wirksame Strafen beinhalten, bis hin zu Gefängnis.«
Die Reaktionen zum Vorstoß der Radfahrer fielen durchweg positiv aus. So haben der deutsche Schwimm- sowie Ski-Verband bereits ihr Interesse und ihre Mithilfe an der Initiative angekündigt.
Aus Sicht der Fernsehanstalten schloss sich WDR-Intendant Fritz Pleitgen dem positivem Echo an: »Das was aktuell passiert, ist mehr als wir erwartet haben. Wenn diese Sicherheiten gegeben werden, können wir auch an den Radsport-Übertragungen festhalten.«

Artikel vom 07.08.2006