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Klüft will Königin ohne Allüren sein

EM-Siebenkampf: Schwedin favorisiert - Barber hält sie für schlagbar

Göteborg (dpa). Für Siebenkämpferin Carolina Klüft beginnt bei ihrem EM-Heimspiel ein neuer Karriere-Zyklus.

Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin ist die blonde Schwedin schon - mit erst 23 Jahren. »Es ist ein einmaliges Erlebnis, im eigenen Land zu starten. Der Druck wird besonders hoch und ich sehr nervös sein, doch ich denke, dies wird mich inspirieren«, sagte die kompletteste Athletin der Gegenwart vor dem Beginn ihrer ersten großen Titelverteidigung heute. Verhindern will das Solo ihre französische Rivalin Eunice Barber: »Carolina ist nicht unschlagbar.«
Die schwedische Mehrkampf-Königin hat jedoch nicht nur den Titel im Blick. Vielmehr wäre es die Krönung, wenn sie zudem den Europarekord der Russin Larisa Nikitina (7006 Punkte) übertreffen und sich dem Weltrekord von Jackie Joyner Kersee (USA/7291) annähern könnte. »Ich fühle, dass ich mehr als 7001 Punkte machen kann. Mal sehen, wie weit ich kommen kann«, kündigte »Carro« an. Diese Punktzahl hatte sie bei ihrem WM-Sieg 2003 in Paris erreicht und die kontinentale Bestmarke nur um fünf Zähler verfehlt. Danach hatte die Hitze bei Olympia 2004 und eine Fersenverletzung bei der WM 2005 die Rekordhatz verhindert.
Allerdings beeinträchtigte eine Oberschenkelverletzung die EM- Vorbereitung der 1,78 Meter großen und 65 Kilogramm schweren Modellathletin. »Ich spüre aber kaum noch etwas davon«, berichtete Klüft, deren körperliche Robustheit bisher ein Geheimnis ihrer Erfolge war. »Sie ist seit fünf, sechs Jahren in der Weltspitze, da ist ihr Körper nicht mehr so jung«, meinte ihr Vater und Manager Johnny Klüft. Dass der Erwartungsdruck seine Tochter, die seit 2001 keinen Siebenkampf mehr verloren hat, ins Straucheln bringen könnte, glaubt er nicht: »Sie ist mental top.«
Schließlich absolvierte sie zwei Tage vor Wettkampf-Beginn noch einen Interview-Marathon. Initiiert von ihrem Sportausrüster präsentierte Carolina Klüft neue Bilder von sich, die die sie in ihrer Heimatstadt Växjö zeigen. »Ich bin lieber eine Athletin, die hart trainiert als ein Model«, sagte die nordische Schönheit, deren Promotionskampagne unter dem Motto »I'am what I'am« (Ich bin, was ich bin) läuft.
Hauptkonkurrentin dürfte für sie Ex-Weltmeisterin Eunice Barber sein, die bei den WM-Titelkämpfen 2003 und 2005 jeweils Zweite wurde. Die Französin hat in dieser Saison jedoch noch keinen Siebenkampf bestritten. »Jeder fängt bei Null an«, sagte Klüft.
Dies gilt auch für Lilli Schwarzkopf (Paderborn), die mit 6413 Punkten Vierte der europäischen Jahresbestenliste ist und eine Chance auf eine Medaille hat. »Sie hat zwei Mal in dieser Saison ihre Bestleistung gesteigert und wird selbstbewusst antreten«, hofft Bundestrainer Jürgen Mallow.
Für Klüft ist es trotz der Erfolge kein Problem, sich zu motivieren. »Ich will Spaß, immer etwas Neues lernen und weitere Fortschritte machen«, sagte sie, »wenn einer dieser Faktoren verloren geht, höre ich auf.« Ob man sie nach dem Karriereende noch in Erinnerung behält, ist ihr egal: »Mir kommt es darauf an, dass ich mein Leben jetzt lebe.« Dazu gehört auch das Engagement für ihre Stiftung »No Excuses«, die Menschen in Malawi und vom Tsunami betroffenen Kindern in Sri Lanka geholfen hat. Viel Aufhebens will sie weder von ihrem sozialen Engagement noch von ihrer Person machen: »Ein Star zu sein ist uncool.«

Artikel vom 07.08.2006