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Mautdaten gegen Kriminalität

Bundesregierung bringt Gesetz auf den Weg - Bedenken bei der GdP

Berlin (dpa). Die Bundesregierung will die Lkw-Mautdaten künftig zur Aufklärung schwerer Straftaten wie Mord verwenden und dazu noch in diesem Jahr ein Gesetz auf den Weg bringen.
Es gehe darum, die bisherige gesetzliche Zweckbindung des Autobahnmautgesetzes nur für die Erhebung der Lkw-Autobahngebühr aufzuheben und nutzbare Daten des Systems zur Verfolgung schwerer Straftaten einzusetzen, sagte eine eine Sprecherin von Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble (CDU). »Unser Gesetzentwurf ist in der Ressortabstimmung.« Unterstützung wurde aus den Koalitionsfraktionen signalisiert. Der Grüne Winfried Hermann warnte dagegen vor einem »Überwachungsstaat«.
Nach den Datenschützern warnte auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor einer zu weiten Öffnung. »Für normale Straftaten und Ordnungswidrigkeiten darf das natürlich nicht gelten«, sagte der GdP-Vizevorsitzende Bernhard Witthaus. Das Instrumentarium könne nur für schwere Straftaten wie Mord und Totschlag in Frage kommen. Allgemeine Überwachungsraster dürften mit dem Mautsystem nicht verbunden sein, betonte Witthaus. »Ich möchte nicht, dass wir in einem Polizeistaat leben. Das trägt nicht gerade dazu bei, das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei zu stärken.«
»Wir sind nicht die Verhinderer der Änderung der Zweckbindung«, bekräftigte eine Sprecherin von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). »Im Rahmen dessen, was das Gesetz zu leisten in der Lage ist, werden wir unseren Beitrag leisten.« Die Sicherheitsdebatte selbst müsse aber von den Innen- und Justizpolitikern geführt werden. So wie das Mautsystem jetzt konzipiert sei, sei es ein Zahlungs- und Buchhaltungs- und kein Ortungssystem.
»Sofern es für andere Zwecke genutzt werden soll, müssen unter anderem technische, organisatorische und finanzielle Fragen geklärt werden. Unstrittig ist: Das Autobahnmautgesetz für schwere Lkw müsste dafür geändert werden. Dabei ist die Verhältnismäßigkeit zu wahren.«
Der Mautbetreiber Toll Collect betont in einem Merkblatt, das Telekommunikationsgesetz enthalte ein Auskunftsgebot zu Gunsten der Ermittlungsbehörden, das Mautgesetz dagegen ein Auskunftsverbot.
Der Vizevorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Hans-Peter Friedrich, sagte: »Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir zügig zu einer Änderung des Mautgesetzes kommen. Die Aufklärung schwerer Straftaten muss Vorrang vor dem umfassenden Datenschutz haben«, sagte Friedrich (CSU) mit Blick auf verfassungsrechtliche Einwände von Datenschützern. »Offensichtlich fürchten einige Beamte, das Mautsystem könnte in einen schlechten Ruf als Überwachungssystem geraten.« Es gehe aber um die innere Sicherheit. »Politiker haben immer eine Ressort übergreifende gesamtstaatliche Verantwortung«.
Zum möglichen Mehraufwand für den Maut-Betreiber Toll Collect und Änderungen am Erfassungssystem sagte Friedrich: »Die Datenerfassung bei der Lkw-Maut ist derzeit auf die Entlarvung von Mautsündern zugeschnitten.« Diese Daten seien nutzbar.
»Falls mehr notwendig wird, muss im Gesetzgebungsverfahren und mit den Mautbetreibern geklärt werden, wer die Kosten trägt.« Am Mittwoch hatten auch SPD-Innenpolitiker die Änderung des Mautgesetzes verlangt.
Für die Grünen erklärte der verkehrspolitische Sprecher Hermann, derzeit seien »Vorbereitungen für die totale Überwachung des Individualverkehrs im Gange. Die Menschen im Rechtsstaat Deutschland müssen wachsam bleiben.« Ausnahmen für die Bekämpfung schwerster Verbrechen seien in engen Grenzen vorstellbar, »aber eine generelle Nutzung des Systems für Ermittler wäre problematisch«. Auch der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, warnte davor , hier ein neues Fahndungsinstrument zu schaffen.

Artikel vom 04.08.2006