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Vom Publikum zur Gemeinde

Konzert der Schwarzmeer-Kosaken

Von Uta Jostwerner
und Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). Sie künden von Glaube, Liebe, Hoffnung und Frieden, sie zeichnen sich durch ein Höchstmaß an stimmlicher Brillanz und Präzision aus und sie gelten als der Chor, der singend betet und betend singt. Bei ihrem Konzert in der Apostelkirche wurden die Schwarzmeer-Kosaken wieder einmal sämtlichen Attributen gerecht.

Mehr noch: Die private Atmosphäre, die der Chor ins vollbesetzte Kirchenschiff zu zaubern vermag, ist schon sehr speziell und in der Person von Schlagerlegende Peter Orloff begründet. Der scheinbar alterslose künstlerische Leiter des legendären Chores liebt die persönliche Ansprache und gibt dabei so allerlei mehr oder weniger Bekanntes preis. Zum Beispiel, dass er sich freut, wieder einmal in Bielefeld zu sein, dem Einkaufsziel seiner Kindheit - bekanntlich wuchs Orloff in Lemgo auf. Dass er noch immer um Arminia Bielefeld bangt und die Herzlichkeit der Menschen so schätzt. Orloff, der bereits von 1958 bis 1967 dem Kosaken-Chor angehörte und 1993 die musikalische Leitung übernahm, macht im Publikum alte Schulfreunde samt seinem Steuerberater aus oder bittet um Mitgefühl für einen Freund, der vor kurzem seinen Vater verloren hat. Während der liturgischen Gesänge im Angedenken an den Verstorbenen wird das Publikum kurzerhand zur (stehenden) Gemeinde, die ebenfalls ihrer Toten gedenkt, und spätestens von diesem Punkt an ist die unsichtbare Wand zwischen dem imposanten Kosaken-Chor auf der einen und dem andächtig lauschenden Publikum auf der anderen Seite gebrochen.
Ja, wird unmissverständlich signalisiert, da steht ein Mensch, einer freilich, der mit einer göttlichen Stimme gesegnet wurde, ebenso wie die neun weiteren Schwarzmeer-Kosaken.
Stand der erste Teil ganz im Zeichen liturgischer Gesänge der russisch-orthodoxen Kirche, so widmete sich Teil II den traditionellen russischen Volksweisen und Balladen sowie ausgesuchten Kostbarkeiten des Opernrepertoires (Gefangenenchor). Gesungen wurde durchgehend in der Originalsprache, was die geheimnisvolle Schönheit der Stücke noch einmal erhöhte. Gesanglich ließ der Chor, in dem jeder Sänger ein Solist ist, keinerlei Wünsche offen und zeichnete die Seelenlandschaft Russlands mal mit aufbrausender Klangwucht, mal mit betörendem Pianissimo-Schmelz nach. Dafür gab's verdient herzlichen Applaus.

Artikel vom 04.08.2006