03.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Von »Free Jörg« bis »Zabel-Land«

Peter auf'm Berge: Fans verbreiten im Teuto Alpe-d'Huez-Stimmung

Von Gunnar Feicht
Bielefeld (WB). »Hopp Vino!« Als Lukas Röhr und Justus Brink aus Friedrichsdorf die Buchstaben mit Kreide auf den Asphalt gemalt haben, setzt der nächste Wolkenbruch ein und spült die Farbe weg. »Peter aufm Berge« erreicht eben doch nicht ganz das Flair der legendären Tour-de-France-Arena namens Alpe d'Huez.

Dennoch: Begeisterung pur und ein dichtes Zuschauer-Spalier prägen an der Passhöhe des Teuto, knapp sieben Kilometer vor dem Etappenziel, das Bild. Bescheidene 226 Meter hoch, Bergwertung der dritten Kategorie - aber tausende von Radsportfans sind trotz wolkenbruchartiger Regenfälle zum letzten Anstieg der Etappe gepilgert. »Free Jörg« und »Zabel-Land« - die Fans haben Solidaritätsbekundungen mit dem ausgebremsten Lokalmatadoren und dem Vorzeige-Profi auf die Straße gepinselt.
Die Deutschland-Tour in OWL - das wollen sie sich nicht entgehen lassen, trotz der jüngsten Negativschlagzeilen. »Ich verfolge den Radsport schon lange. Bisher hatte ich geschätzt, das vielleicht 10, 15 Prozent der Fahrer nicht ÝsauberÜ sind. Nach den aktuellen Enthüllungen glaubt man eher, dass das Verhältnis umgekehrt ist«, meint Markus Kochmann, der aus Gütersloh stammt und Sonntag in seiner Wahlheimat Hamburg das Jedermann-Rennen im Rahmen der Cyclassics absolviert hat.
Viele Fachleute an der Strecke sehen den Profiradsport ähnlich kritisch, doch sie nervt es, dass andere Sportarten im Schlagzeilengewitter ungeschoren davonkommen. Bernhard Grothues aus Sassenberg, wie viele natürlich per Rennrad angereist, hat Sonntag bei den Cyclassics Platz fünf seiner Altersklasse belegt. Statt Anerkennung erntet er mittlerweile auch Spott: » ÝNa, hast du auch dein Testosteron-Pflaster dabeiÜ - das geht einem schon mächtig auf die Nerven, wenn man sein Leben lang regelmäßig trainiert hat.« Gibt's eine Lösung? »Drakonische Strafen, Sperren auf Lebenszeit«, meint Grothues. »Man muss endlich die Abschreckung erhöhen.«
Die Diskussionen verstummen, als sich die Werbekarawane mit den Fahrzeugen der Tour-Sponsoren nähert. Tüten mit Gummibärchen fliegen aus den offenen Fenstern und Appenzeller Käse im Probierpack. Schmeckt tatsächlich gut, aber alles zwei Nummern kleiner als beim großen Vorbild Tour de France. Wie auch der 1000 Meter lange Anstieg zum »Peter«-Pass im Vergleich zu den Alpenriesen. Doch als Stefan Schumacher als Erster über die Bergwertung stürmt, wird er genauso lautstark gefeiert wie ein Sieger in Alpe d'Huez. Und als die Fans abends nach Hause kommen, erfahren sie, dass beim Fernsehen ausgerechnet während des Gipfelsturms der Profis die Motorradkameras ausgefallen sind. Nur wer beim Radsport in Wind und Wetter ausharrt, ist wirklich live dabei...

Artikel vom 03.08.2006