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Wie die Natur zum »Holzfäller« wird

WESTFALEN-BLATT-Serie - Folge 5: Orkane und Eisregen dezimieren Wald

Bielefeld (gge). »Holz ist nur ein einsilbiges Wort, aber dahinter verbirgt sich eine Welt voller Schönheit und Wunder.« Diese Worte des ersten Bundespräsidenten (1949-1959) der Bundespublik Deutschland, Theodor Heuss (*1884, gest. 1963), zieren - leicht verändert - in Birke geschnitzt den Eingang zum Arbeitsplatz von Volker Brekenkamp.

Dass der 54-jährige Leiter des Heimat-Tierparks Olderdissen als Abteilungsleiter Forsten beim Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld auch für rund 1850 Hektar Stadt- und 300 Hektar Stadtwerke-Wald zuständig ist, wissen die wenigsten. Für das WESTFALEN-BLATT hat der Diplomforstingenieur und Jäger die Geschichte des Bielefelder Stadtwaldes auch unter Berücksichtigung der Hege und Pflege des heimischen Wildes aufgearbeitet. Lesen Sie heute Teil 5 unserer Serie »Wald und Wild in Bielefeld«.
Waldan- und -verkauf sind eine diffizile Sache. Dass die Stadt Bielefeld 1991 stolze 465 Hektar Forst für 15 Millionen Euro 1991 von der Firma Windel in Senne (wir berichteten in unserer 4. Folge) erwarb, hatte wirtschaftliche wie politische Hintergründe. So war dem Textilveredelungs-Unternehmen zuvor der Bau einer teuren Kläranlage »verordnet« worden. Kritiker sehen hierin noch heute einen der Gründe für die wirtschaftliche Schieflage der Firma, die sie zum Waldverkauf zwangen. Die Rieselfelder, einst zur Abwasserreinigung angelegt, sind heute ein beliebtes Naturschutz-Reservat.
Wie Wald, auch ohne menschliches Zutun, an Wert verlieren kann, zeigen andere Beispiele. Durch Bombenschäden um Tiefschlingen, am Steinbrink, am Kreuzgrund und in den Heeper Fichten wurden zwei Hektar Waldbestand vernichtet. Noch heute stößt man bei der Holzernte auf Granat- und Bombensplitter im Inneren der Bäume. Viele der Holzkäufer nehmen dies zum Anlass von ihrem Kaufgesuch zurückzutreten. Auch von biotischen und abiotischen Schäden wurde der Stadtwald in allen Zeiten heimgesucht. So richtete ein starker Schneefall am 31. Oktober 1925 ziemlich großen Schaden an, da die Bäume noch belaubt waren. Der ganze Wald sei mit abgebrochenen Ästen übersät gewesen. Am Ochsenberg musste eine etwa halben Hektar große Fläche geschlagen werden, weil nur noch vollständig entastete Buchenstummel vorhanden waren. Die Sturmkatastrophe am 1. November 1940 verursachte vorwiegend in Kleintiefschlingen und in den Heeper Fichten beträchtlichen Schaden.
Sturmschäden in der Größenordnung von 1927 sind in den vergangenen Jahren nicht mehr aufgetreten. Es ist allerdings in den neunziger Jahren ein erhöhtes Orkanaufkommen festzustellen, so dass in den letzten Jahren mehrere hundert Festmeter Holz (überwiegend Buche und Fichte) als Kalamitätsholz verbucht werden mussten.
Dass die an sich relativ niedrige Gebirgskette des Teutoburger Waldes zuweilen eine markante Klimagrenze darstellt, haben in jüngster Zeit zwei außergewöhnliche Schadensereignisse deutlich gemacht. Am 2. März 1987 sowie am 1. Dezember 1988 fiel hier, im Grenzbereich von kalten und warmen Luftmassen, über mehrere Stunden unterkühlter Regen auf die ebenfalls noch gefrorenen Bäume. Besonders an Nord- und Osthängen brachen Kronenteile oder ganze Stämme unter der schweren Eislast zusammen. 1988 waren nur einige Kilometer östlich oder westlich des Osning so gut wie keine Eisbruchschäden zu verzeichnen. Die Gesamtschäden im Bielefelder Stadtwald waren erheblich. 1987 fielen etwa 800 Kubikmeter, 1988 rund 1300 Kubikmeter Holz dem Eisbruch zum Opfer (überwiegend Buche).
Als außergewöhnliches abiotisches Schadensereignis ist weiter der Schneebruch im Winter 1978/79 zu erwähnen (etwa 150 Kubikmeter Buchen und Fichten).
Die durch anthropogene Umweltbelastungen, besonders durch die Luftverunreinigung, verursachten neuartigen Waldschäden wurden im Stadtwald durch Infrarotfotografie, Nadel- und Blattanalysen sowie durch Bodenproben untersucht. Grundsätzlich ist festzustellen, dass etwa 50 Prozent der Bäume geschädigt sind. In letzter Zeit ist eine Erhöhung bei der Buche und Eiche festzustellen.
Die vergleichsweise hohe Stabilität und Gesundheit der Bestände des Stadtwaldes ist vermutlich auch eine Folge der günstigen Bestockungsverhältnisse mit hohen Anteilen standortgemäßer Baumarten.
Lesen Sie Dienstag, 22. August, die 6. Folge unserer Serie »Wald und Wild in Bielefeld«. Thema dann: Wie aus Hoch- Naturwald wurde.

Artikel vom 18.08.2006