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Das Totholz ist ökologisch wichtig

WESTFALEN-BLATT-Serie, Folge 14: Den »sauberen Wald« gibt es nicht

Bielefeld (gge). Volker Brekenkamp ist als Abteilungsleiter Forsten beim Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld für rund 1850 Hektar Stadt- und 300 Hektar Stadtwerke-Wald zuständig. Für das WESTFALEN-BLATT hat der 54-jährige Diplom-Forstingenieur und Leiter des Tierparks Olderdissen die Geschichte des Bielefelder Stadtwaldes auch unter Berücksichtigung der Hege und Pflege des heimischen Wildes zur Serie »Wald und Wild in Bielefeld« aufgearbeitet.

Einige Waldspaziergänger beschweren sich bei den Förstern darüber, dass die Waldungen nicht besser aufgeräumt seien und viel Holz ungeräumt »verkommen« würde. Gerade Menschen älterer Generationen erinnern sich gerne daran, dass besonders in der Nachkriegszeit kein Ast mehr auf dem Waldboden zu finden war. Nun kann man letztendlich über Ästhetik streiten, die unbedingte ökologische Bedeutung dieses so genannten Totholzes ist jedoch eindeutig.
Im bewirtschafteten Wald wurde bis vor einigen Jahren die überwiegende Zahl an Bäumen geerntet, bevor sie natürlich abstarben. Im Gegensatz dazu waren in den Urwäldern Mitteleuropas uralte Baumriesen, kranke Bäume, Tot- und Faulholz ein überall vorhandener Lebensraum für zahlreiche Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen.
Absterbende und tote Bäume sind nicht leblos, sie beherbergen die artenreichste Lebensgemeinschaft des Waldes. Stirbt ein Baum, so zieht neues Leben in ihm ein. Totholz bildet die ökologische Nische für eine große Zahl von Organismen, die nur hier leben können.
Jede Phase des Zerfalls ist begleitet von für sie typischen zahllosen Bakterien, Pilzen, Flechten, Moosen, Käfern, Vögeln, verschiedenen Säugetierarten und mehr. Viele dieser Arten sind in ihrem Bestand stark gefährdet. Sie alle nutzen das geschwächte Holz als Nahrung, Brutraum und Versteck und sie alle lassen seine Biomasse durch Zersetzung wieder in den Nährstoffkreislauf des Waldes einfließen.
Durch diesen mechanischen und biochemischen Abbau entsteht aus Holz wieder ein nährstoffhaltiger Humus. Fehlt das Totholz, reduzieren sich die von ihm lebenden Arten. Es kommt zu Nährstoffverlusten im Boden, des weiteren zu einer Minderung der wiederum im Boden lebenden Mikroorganismen. Den Bäumen werden somit wichtige Nährstoffe und Mineralien vorenthalten.
Aber es ist nicht nur liegendes Totholz wichtig, gerade die noch stehenden, im Absterben befindlichen Bäume bieten hinsichtlich der Faktoren Besonnung und Feuchtigkeit sehr vielfältige Milieubedingungen für unendlich viele Tier- und Pflanzenarten. Natürlich kann dieses stehende Totholz eine Gefährdung für die Waldbesucher darstellen, so dass im stark besuchten Stadtwald hierauf besonders geachtet werden muss.
Das im Wald belassene, unaufgeräumte Holz wirkt wie ein schützendes Verhau gegen Wildverbiss und klimatische Extreme. Hierunter findet sich Naturverjüngung ein, die allmählich einen Jungwald bildet. An Hanglagen vermindert liegendes Totholz die Bodenerosion.
Folge 15 der Serie lesen Sie am Freitag, 22. September.

Artikel vom 19.09.2006