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Wald ohne Wild ist kein Wald

WESTFALEN-BLATT-Serie, Folge 13: Tiere sind wichtig für den Forst

Bielefeld (gge). Volker Brekenkamp ist als Abteilungsleiter Forsten beim Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld für rund 1850 Hektar Stadt- und 300 Hektar Stadtwerke-Wald zuständig. Für das WESTFALEN-BLATT hat der 54-jährige Diplom-Forstingenieur und Leiter des Tierparks Olderdissen die Geschichte des Bielefelder Stadtwaldes auch unter Berücksichtigung der Hege und Pflege des heimischen Wildes zur Serie »Wald und Wild in Bielefeld« aufgearbeitet. Lesen Sie heute Folge 13 der Serie.

Die Art der forstlichen Bewirtschaftung hat einen wesentlichen Einfluss auf das Wald- und Wildverhältnis. So werden durch die Umstellung strukturarmer Altersklassenwälder in abwechslungsreiche, naturnahe Mischwälder die Ernährungsbedingungen für das Wild verbessert.
Bei einer gleichmäßig eingeleiteten Naturverjüngung sind lokal konzentrierte Verbissschäden selten. Natürlich entwickelte Waldränder sowie das Belassen von Waldlichtungen und Sukzessionsflächen bieten einen gut strukturierten Lebensraum und ein vielseitiges Nahrungsangebot. Durch gezielte Lenkung der Erholungsuchenden findet das Wild Ruhezonen und kann Äsungsflächen auch während des Tages annehmen.
Die Umwandlung einschichtiger Altersklassenwälder in mehrstufige Mischbestände vollzieht sich in vielen kleinen Schritten und dauert mehrere Jahrzehnte. In dieser Übergangszeit kann nicht immer auf vereinzelte Schutzmaßnahmen wie kleinflächiges Einzäunen der Verjüngung verzichtet werden. Diese Maßnahmen können erst vernachlässigt werden, wenn die natürliche Alterszusammensetzung und Waldentwicklung nicht mehr durch das Wild gefährdet sind.
Grundsätzliches Ziel sollte es sein, die Dichte der Wildbestände so zu regeln, so dass Land- und Forstwirtschaft vor Schäden bewahrt bleiben, andererseits aber die Bewirtschaftung der Flächen verträglich vorzunehmen, so dass die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Es soll ein gesunder Bestand aller heimischen Wildarten in angemessener Zahl erhalten bleiben, der insbesondere auch den Schutz bedrohter sonstiger Tiere und Pflanzen nicht gefährdet. Bei aller Diskussion um Wald und Wild darf das Ethos für das Mitgeschöpf nicht unberücksichtigt bleiben: Wald ohne Wild ist kein Wald.
Die Aussage, dass es früher mehr Wild gab, ist allgemein betrachtet nicht richtig. Die Auswertung der Streckenmeldungen, die jährlich den unteren Jagdbehörden gemeldet werden müssen, bestätigen im Gegenteil den Anstieg der Populationsdichte einiger tierarten, insbesondere der Schalenwildarten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Jagd über die Jahrzehnte hinweg mit gleicher Intensität ausgeübt wurde.
Zu bedenken ist, dass die Fläche die den Tieren als Lebensraum zur Verfügung steht und bejagt werden kann, abgenommen hat. Zudem ist sie heute auch, etwa im Hinblick auf die Art der Nutzung, anders strukturiert. Weiterhin wirkt sich der dichter gewordene Straßenverkehr auf die Wildpopulationen aus.
Trotz dieser Negativpunkte sind entsprechend der Jagdstrecken die Bestände etwa des Rehwildes in den letzten 60 Jahren erheblich angestiegen. Im Jagdjahr 2005/2006 wurden 692 Rehe in Bielefeld erlegt oder tot aufgefunden. Das sind neun mal mehr als vor 60 Jahren; unter Berücksichtigung der veränderten Flächengröße sogar 13 mal so viele. Dadurch lässt sich erkennen, dass eine Bejagung dieser Wildarten aus waldbaulicher Sicht unbedingt notwendig ist.
Folge 14 erscheint am Dienstag, 19. September.

Artikel vom 15.09.2006