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Wenn der Wald unruhig wird

WESTFALEN-BLATT-Serie, Folge 12: Gleichgewicht im Ökosystem sichern

Bielefeld (gge). Volker Brekenkamp ist als Abteilungsleiter Forsten beim Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld für rund 1850 Hektar Stadt- und 300 Hektar Stadtwerke-Wald zuständig. Für das WESTFALEN-BLATT hat der 54-jährige Diplom-Forstingenieur und Leiter des Tierparks Olderdissen die Geschichte des Bielefelder Stadtwaldes auch unter Berücksichtigung der Hege und Pflege des heimischen Wildes zur Serie »Wald und Wild in Bielefeld« aufgearbeitet. Lesen Sie heute Folge 12.

Neben Pflanzen und Tieren aller Art gehört auch das Wild zum Ökosystem Wald. Jeder Wald kann jedoch nur eine begrenzte Anzahl von Wildtieren wie Rot-, Dam- und Rehwild aufnehmen, Sind die Wildbestände überhöht, treten Schäden auf, die sich im Verbiss der Jungpflanzen oder Schälen der Rinde an älteren Stämmen äußern.
Beim Verbiss der jüngeren Pflanzen äst das Wild die Knospen der Seitenzweige und der Höhentriebe, so dass die Bäume nicht mehr in der Lage sind, sich voll zu entwickeln. Sie verbuschen oder sterben völlig ab. Das hat zur Folge, dass bestimmte vom Wild bevorzugte Baumarten fast völlig aus den Waldgesellschaften verschwinden. Dies führt zu einer Verarmung der Pflanzenwelt und zu einer Veränderung der Waldstruktur mit dem Verlust an Stabilität - Der Wald kann hier seiner natürlichen Aufgabenvielfalt nicht mehr gerecht werden. In natürlichen Waldgebieten mit Naturverjüngung sind die Verbissschäden verständlicherweise deutlich geringer als in strukturarmen Gebieten mit Kahlschlagsbewirtschaftung.
Beim Schälen zieht das Wild die dünne frische Rinde streifenweise vom Baum. Hierdurch entstehen Eintrittspforten für holzzerstörende Pilze und Insekten. Die Folge sind Zuwachsverluste, Wertminderung des Holzes, erhöhte Wind- und Schneebruchgefahr sowie das völlige Absterben der Bäume.
Zurückzuführen ist diese Störung zwischen Wald und Wild auf die Biotopverarmung in strukturlosen Wirtschaftswäldern und der intensiv genutzten Feldflur sowie auf das Fehlen der natürlichen Feinde wie zum Beispiel Wolf, Bär und Luchs.
Außerdem trägt gerade in unseren stadtnahen Bereichen die erhöhte Beunruhigung des Waldes durch Erholungsuchende zu hohen Wildschäden bei, da das Wild die schützenden Einstände immer weniger verlässt und hier junge Bäume verbeißt und Baumrinde schält.
Das Ziel, nämlich das Gleichgewicht zwischen Wald und Wild wieder zu erreichen, so dass eine naturnahe Waldbewirtschaftung betrieben werden kann, setzt bestimmte Maßnahmen voraus. Die Minderung von Wildschäden ist bei den derzeitigen Bedingungen vorrangig durch eine Reduzierung der Wilddichte mittels Bejagung auf ein waldverträgliches Maß vorzunehmen. Hier sind gerade die oft zu unrecht gescholtenen Jäger gefordert, die Wildbestände zu verringern. Dieser Auftrag wird den Jägern schon durch das Bundesjagdgesetz vorgegeben. Aber nicht allein der Jäger ist verantwortlich.
Folge 13 erscheint am kommenden Freitag, 15. September.

Artikel vom 12.09.2006