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Schöne Bilder
reichen nicht

Pfiffe bei der »Götterdämmerung«

Von Stephan Maurer
Bayreuth (dpa). Nun ist er geschmiedet, der neue Bayreuther »Ring«, und er polarisiert das Publikum. Pfiffe und lautstarke Buhrufe erschallten, als Regisseur Tankred Dorst nach der Premiere der »Götterdämmerung« am Montagabend erstmals vor den Vorhang trat.

Die »Götterdämmerung«, letzter Teil von Richard Wagners Monumentalwerk »Der Ring des Nibelungen«, machte nochmals die Probleme dieser Inszenierung deutlich. Die Interpretation des 80-jährigen Dramatikers Dorst bestach erneut durch schöne Bühnenbilder von Frank Philipp Schlößmann, ließ aber dramaturgische Schlüssigkeit und durchdachte Personenregie vermissen.
Liebling des Publikums war daher einmal mehr Dirigent Christian Thielemann für eine durchsichtige und im schönen Klang schwelgende musikalische Interpretation mit dem Festspielorchester. Dass Dorst und Thielemann kein einziges Mal gemeinsam zur Verbeugung auf die Bühne kamen, dürfte Spekulationen um ein Zerwürfnis zwischen den beiden weitere Nahrung geben.
Dorst setzte in der »Götterdämmerung« zunächst die Nornen (Janet Collins, Martina Dike und Irene Theorin) auf einen Berg von Totenschädeln und Skelettknochen. Die Gibichungenhalle von König Gunther (Alexander Marco-Buhrmester) ist ein Hotel mit Terrassen und Balkonen, wo eine Luxusgesellschaft zusammengekommen ist. Man trinkt Champagner, ein Knabe wird golden bemalt, selbst König Ludwig II. ist zu Gast. In diese mondäne Welt bricht der Naturbursche Siegfried (Stephen Gould gewinnend, trotz kleiner Unsicherheiten) ein. Gegen die raffinierten Methoden von Hagen (markant: Bayreuth-Neuling Hans-Peter König) hat er keine Chance, schnell erliegt er dem Charme von Gutrune (Gabriele Fontana).
Mit einem Fragezeichen endet der erste Akt: Beim Raub der stimmgewaltigen Brünnhilde (souverän: Linda Watson) schickt Siegfried den zagen Gunther (Alexander Marco-Buhrmester) zur Walküre ins Schlafzimmer, anstatt - wie von Wagner vorgesehen - selbst seinen Mann zu stehen. Doch ungeachtet dieses rätselhaften Regieeinfalls nimmt das Unheil seinen Lauf. Als Siegfried endlich den barbusigen Rheintöchtern (Fionnuala McCarthy, Ulrike Helzel und Marina Prudenskaja) den Ring zurückgeben will, ist es schon zu spät. Hagen ermordet den Helden, die Götterwelt geht unter.
Was die Werktreue betrifft, kann man Dorst keinen Vorwurf machen: Weder zeigt er - wie Vorgänger Jürgen Flimm - den viel zitierten »Wotan mit Aktentasche«, noch enthält die Inszenierung sonst irgend eine politische oder gesellschaftskritische Anspielung.

Artikel vom 02.08.2006