11.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Am grünen Winkel«
standen einstmals Kiefern

WESTFALEN-BLATT-Serie »Wald und Wild« - Folge 3

Bielefeld (gge). »Holz ist nur ein einsilbiges Wort, aber dahinter verbirgt sich eine Welt voller Schönheit und Wunder.« Diese Worte des ersten Bundespräsidenten (1949-1959) der Bundespublik Deutschland, Theodor Heuss (*1884, gest. 1963), zieren - leicht verändert - in Birke geschnitzt den Eingang zum Arbeitsplatz von Volker Brekenkamp. Dass der 54-jährige Leiter des Heimat-Tierparks Olderdissen als Abteilungsleiter Forsten beim Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld auch für rund 1850 Hektar Stadt- und 300 Hektar Stadtwerke-Wald zuständig ist, wissen die wenigsten. Für das WESTFALEN-BLATT hat der Diplomforstingenieur und Jäger die Geschichte des Bielefelder Stadtwaldes auch unter Berücksichtigung der Hege und Pflege des heimischen Wildes aufgearbeitet. Lesen Sie heute Teil 3 unserer Serie »Wald und Wild in Bielefeld«.

Im Jahre 1913 erwarb die Stadt von Meier zu Heepen die Heeper Fichten. Von dem damaligen Waldbestand ist nur etwa die Hälfte erhalten. Die jetzige Siedlung »Am Grünen Winkel« war früher ein etwa 50-jähriger Kiefernbestand. Das Gelände am Sundern war bis zur Straße Am Wellbach mit 80 bis 100-jährigen Eichen, Buchen und Kiefern bestockt. Diese Bestände wurden gleich nach dem Ersten Weltkrieg von der Stadt geschlagen. Zur Verarbeitung des Holzes hatte die Stadt auf dem Bauhof an der Wiesenstraße ein eigenes Sägewerk errichtet. Weitere Bestände holzte man zur Herstellung von Sportplätzen und Schrebergärten ab.
An der Osningstraße wurde im Jahr 1920 vom Freiherrn von Spiegel eine fünf Hektar große, durch Diebstahl kahlgeschlagene Waldfläche, erworben. Im Jahr 1922 wieder aufgeforstet, wurde dieser junge Bestand nach dem Zweiten Weltkrieg abermals durch Diebstahl stark geschädigt.
Die Deutsche Arbeiterfront übernahm während des Zweiten Weltkrieges die zum Rütli gehörenden Waldungen, früher Voß. Zur Erweiterung des Sennefriedhofs, der im September 1912 in Betrieb genommen worden war, wurde der südlich angrenzende Exerzierplatz im Austausch übernommen. Als Ersatz hatte die Stadt das 60 Hektar große Buschkampgelände von der Besitzerin Brand gekauft. Dieses Gelände bestand zu 50 Prozent aus Ödland, zu 25 Prozent aus 60 bis 70 Jahre alten Kiefern und zu weiteren 25 Prozent aus gutem Kiefernstangenholz.
Da nach dem Ersten Weltkrieg Bielefeld nicht mehr Garnisonsstadt blieb, war das Buschkampgelände als Exerzierplatz überflüssig. Aus diesem Grunde wurde das Ödland 1920 als Notstandsarbeit mit Kiefern aufgeforstet. Diese Kultur war gut geraten. Als 1935 Bielefeld wieder eine Garnison erhielt, musste die Fläche von allen Kieferndickungen und Stangenhölzern geräumt werden, nur kleine Flächen, mit 60 bis 70-jährigen Kiefern bestockt, blieben erhalten. Heute findet dort alle zwei Jahre das Sennetreffen statt.
Bemerkenswert ist noch folgendes:
Im Jahre 1888 hatte August Klasing, Mitbegründer der Verlagsbuchhandlung Velhagen & Klasing, den Uerentruper Forst (damalige Größe: 125 Hektar) vom Eigentümer Dickmeier erworben und der Stadt Bielefeld als Geschenk angeboten. Zur Bedingung hatte er gemacht, dass in Not geratene Mitglieder der Familie Klasing von etwaigen Überschüssen unterstützt würden. Der vom Magistrat zur Besichtigung der Waldungen ernannte Ausschuss wurde vom damaligen Oberförster geführt. Das bei der Besichtigung herrschende schlechte Wetter und die damaligen trostlosen Wegeverhältnisse, sowohl der Wald- als auch der Zugangswege (die Dornberger Straße war noch nicht ausgebaut), trugen dazu bei, dass die Schenkung abgelehnt wurde.
Lesen Sie am Dienstag, 15. August, die 4. Folge unserer Serie. Thema: Wie man als Stadt mit Walderwerb auch Wirtschaftspolitik betreiben kann.

Artikel vom 11.08.2006