02.09.2006
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Sie gingen zum Combe House. Nach einem Moment des Schweigens sagte Dalgliesh: »Miss Oliver hat sich wirklich alle Möglichkeiten offen gehalten, nicht war? Da beteuert sie felsenfest, dass ihr Vater sich nie und nimmer umgebracht haben kann, nachdem sie zuvor die Gründe aufgezählt hat, warum genau das durchaus möglich wäre. Tremlett ist bestürzt und entsetzt, während sie selbst sich völlig unter Kontrolle hat. Es liegt auf der Hand, wer von beiden der dominante Partner ist. Meinen Sie, Tremlett hat gelogen?«
»Nein, Sir, aber sie vielleicht. Ich meine, dieses ganze Gerede von der Verlobung, Daddy liebt mich, Daddy hat seinem kleinen Mädchen alles Glück der Welt gewünscht, hört sich das nach dem Nathan Oliver an, den wir kennen?«
»Wir kennen ihn nicht, Kate. Wir wissen nur das, was andere uns erzählt haben.«
»Nun, die ganze Geschichte mit der Verlobung ist mir von vornherein komisch vorgekommen. Zuerst hab ich mich gefragt, warum sie nicht beide zusammen mit Oliver gesprochen haben, und warum Tremlett ihm so bewusst aus dem Weg gegangen ist, nachdem Oliver die Neuigkeit erfahren hatte. Dann hab ich mir gedacht, dass das vielleicht doch nicht so seltsam war. Möglicherweise wollte Miranda allein mit ihrem Vater sprechen, ihm ihre Gefühle erklären und die Zukunftspläne erläutern. Und falls er ausfallend wurde, hat sie Tremlett vielleicht nichts davon erzählt. Sie könnte ihm weisgemacht haben, dass Oliver sich über die Heiratspläne gefreut hat.« Sie überlegte einen Moment und setzte dann hinzu: »Aber was hätte sie davon gehabt. Er hätte spätestens am nächsten Morgen die Wahrheit erfahren, wenn er zur Arbeit gekommen wäre und Daddy ihm gesagt hätte, was Sache ist.«
Dalgliesh nickte. »Ja, das stimmt. Es sei denn, Miranda konnte davon ausgehen, dass Daddy am nächsten Morgen nicht mehr da wäre, um das zu tun.«
8
E
Als Dalgliesh eintraf, war Maycroft allein im Büro, aber nur Augenblicke später steckte Adrian Boyde den Kopf zur Tür herein. »Dr. Speidel ist da. Als Sie vorhin angerufen haben, war er nicht spazieren, sondern hat geschlafen, und er hat die Nachricht erst nach drei abgehört.«
»Führen Sie ihn bitte herein, Adrian. Weiß er von Nathan Oliver?«
»Das glaube ich nicht. Ich bin ihm begegnet, als er gerade zur Hintertür hereinkam. Und ich habe ihm nichts erzählt.«
»Gut. Bitten Sie doch Mrs. Plunkett, uns Tee zu bringen, ja? In etwa zehn Minuten. Wo ist Dr. Speidel jetzt?«
»Er sitzt in der Eingangshalle, auf der Eichenbank. Er sieht gar nicht gut aus.«
»Wir hätten auch zu ihm gehen können, wenn er Bescheid gesagt hätte. Warum hat er sich nicht den Wagen kommen lassen? Es ist ziemlich weit vom Shearwater Cottage.«
»Das habe ich ihn auch gefragt. Er hat gemeint, er dachte, der Spaziergang würde ihm gut tun.«
»Sagen Sie ihm, wir werden seine Zeit nicht lange in Anspruch nehmen.« Maycroft sah Dalgliesh an. »Er ist Mittwoch angekommen, und er ist zum ersten Mal auf der Insel. Ich glaube kaum, dass er Ihnen viel Nützliches erzählen kann.«
Boyde verschwand. Sie warteten schweigend. Die Tür ging auf, und Boyde sagte: »Dr. Speidel«, als würde er feierlich einen wichtigen Besucher ankündigen.
D
Maycroft sagte: »Das ist Commander Dalgliesh, ein Polizeibeamter von New Scotland Yard. Er ist hier, weil etwas Tragisches geschehen ist. Deshalb sah ich mich auch gezwungen, Sie zu stören. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Nathan Oliver tot ist. Wir haben heute Morgen um zehn Uhr seine Leiche entdeckt. Sie hing an einem Seil, das am Geländer oben auf dem Leuchtturm befestigt war.«
S
Maycroft blickte zu Dalgliesh hinüber und überließ ihm die Antwort. »Es sieht ganz so aus, aber es gibt noch einige offene Fragen. Natürlich wäre es wünschenswert, diese zu klären und das möglichst, bevor die Medien die Nachricht bringen.«
M
D
Speidels Antwort wurde von einem heftigen Hustenanfall unterbrochen. Dann starrte er einige Sekunden geistesabwesend auf seine gefalteten Hände im Schoß. Die Stille hielt übermäßig lange an. Dalgliesh dachte, dass das wohl kaum ein Zeichen der Trauer um einen Mann sein konnte, den er offenbar gar nicht persönlich gekannt hatte, schließlich hatte er als erste Reaktion nur recht emotionslose, konventionelle Worte der Betroffenheit gefunden. Auch war es alles andere als einleuchtend, dass Dalglieshs einfache Frage ein so langes Nachdenken erforderte. Er fragte sich, ob der Mann ernsthaft krank war. Der Husten war offensichtlich schmerzhaft gewesen. Speidel hustete erneut in sein Taschentuch, und diesmal dauerte der Anfall noch länger. Vielleicht war das Schweigen nichts weiter gewesen als der Versuch, den Husten zu unterdrücken.
Schließlich blickte Dr. Speidel auf und sagte: »Bitte entschuldigen Sie, der Husten ist lästig.
Artikel vom 02.09.2006