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Der Draht nach Westen war unglaublich wichtig

FH-Student Eike Korfhage aus russischer Haft zurück

Von Michael Diekmann
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). »Das Mobiltelefon war ein wichtiger Schlüssel zur Außenwelt«, sagt Eike Korfhage (30). Seit Donnerstag ist der FH-Fotostudent vom Abenteuer Russland zurück, von Radtour, Festnahme, Haft und schließlich der 40-stündigen Reise zurück von der estnischen Grenze. Das Handy, sein heißer Draht nach Deutschland, hält Korfhage auch im Interview ständig fest.

Gut 40 Stunden reine Reisezeit, erzählt Korfhage, waren erforderlich für die anstrengende Tour vom Grenzort Narva in Estland. Per Bus, Taxi, Eisenbahn. Der Großteil des Gepäcks ist wieder mit zurück in Bielefeld.. Höchste Hürde unterwegs war das schlechte Busnetz im Baltikum und die oft fehlende Bereitschaft, ein Fahrrad mitzunehmen. Die schlimmsten Tage seines Russlandsaufenthalts lagen da schon hinter Korfhage. Und Wegbegleiter Henning Wallerius (25) ist ebenfalls auf der Rückreise.
Die Aufarbeitung des Erlebten bis hin zur geplanten Ausstellung eigener Fotografien in der FH wird noch Wochen dauern, ist der Student im sechsten Semester überzeugt. Immerhin war die Tour per Rad nach St. Petersburg, von Berlin 2200 Kilometer, ganz anders geplant gewesen. Die Anreise in der Gruppe, auf Nebenstrecken mit bis zu 100 Kilometern täglich, war schon als Protest gegen den G8-Gipfel an der Newa geplant gewesen. In Petersburg angekommen sei man eigentlich schon als Tourist. Die russische Ordnungsmacht sah das offensichtlich ganz anders, berichtet Korfhage über die »doppelte« Festnahme vor dem Haus eines Aktivisten, wo man eigentlich hatte übernachten wollen. Erlebt hat der Bielefelder seit der Festnahme zahlreiche Dinge, die das System russischer Rechtsstaatlichkeit mehr als nur kritisch hinterfragen lassen, die Suche nach einer geeigneten Richterin für den Schuldspruch, die Gewichtung zwischen Anklage und Verteidigung..
So sehr sich der russische Apparat im Umgang mit den deutschen Gästen sicher schien, so sehr hatte man offensichtlich die Möglichkeiten eines funktionierenden Mobiltelefons unterschätzt. Damit, freut sich Korfhage im Nachhinein, konnte man nicht nur in Deutschland Freunde und Hochschule informieren, im Campus-Radio live berichten und sogar noch nach der Urteilsverkündung nach Bielefeld anrufen. Sogar ein Foto von der gründlichen Hausdurchsuchung bei der Festnahme durch 20 russische Polizisten gelang den Fotostudenten unbemerkt.
Nach vier der zehn verhängten Tage Haft kamen die Deutschen überraschend frei. Genaue Gründe, so Korfhage, kenne man bis heute nicht. Wisse aber sehr wohl, dass der Schweizer Mitreisende Adrian Sauter die vollen zehn Tage absitzen musste. Ein Wiedersehen soll es demnächst in Bielefeld geben. Bis dahin möchte Fotograf Korfhage auch sein umfangreiches Bildmaterial gesichtet haben.

Artikel vom 31.07.2006