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Israel weitet die Offensive aus

Hilfskonvois erreichen ihre Ziele nicht - EU fordert Ende der Feindseligkeiten

Tel Aviv/Brüssel (dpa/Reuters). Israel hat seine Bodenoffensive zur Zerschlagung der Hisbollah-Miliz im Südlibanon gestern nochmals erneut ausgeweitet. Israelische Soldaten und pro-iranische Hisbollah-Kämpfer lieferten sich heftige Gefechte.
Nach Aufhebung einer Nachrichtensperre hat die israelische Armee gestern Abend den Tod dreier Soldaten bei einem Feuergefecht mit Milizionären der libanesischen Hisbollah-Miliz bestätigt. Ein Militärsprecher sagte, die Soldaten seien bei Kämpfen im Bereich der Ortschaft Aita al-Schaab im Westen des südlibanesischen Grenzgebiets getötet worden. 25 weitere Soldaten hätten leichte Verletzungen erlitten. Seit Beginn der Kämpfe vor drei Wochen seien 36 Soldaten und 18 israelische Zivilisten getötet worden, teilte der Sprecher mit.
Wegen der Kämpfe kamen Hilfskonvois zu den eingeschlossenen Zivilisten nicht durch. Hilfsorganisationen nannten die Lage kritisch. Die israelische Luftwaffe flog in der Nacht erneut Angriffe.
Der israelische Verteidigungsminister Amir Perez machte deutlich, dass sein Land die Hisbollah vor der Aufstellung einer internationalen Truppe vollständig aus dem Grenzgebiet verdrängen will.
Die EU-Außenminister beschlossen auf einer Sondersitzung in Brüssel nach stundenlangen Verhandlungen eine Erklärung in der es heißt: »Der Rat fordert eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten, der eine dauerhafte Waffenruhe folgt.« Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, diese Formulierung sei »näher an der Realität als vieles andere, was in den vergangenen Tagen diskutiert worden ist«.
Der Europarats-Vorsitzende und russische Außenminister Sergej Lawrow sagte, der einzige Weg zum Frieden sei der Dialog.
Die Hisbollah erklärte, sie habe bei Aita al-Schaab und im weiter nördlich gelegenen Kafr Kila israelische Truppen zurückgeschlagen. Die israelische Luftwaffe griff in der Nacht Abschussrampen für Katjuscha-Raketen sowie ein Waffenlager und Zufahrtsstraßen in der östlichen Bekaa-Ebene an, um Waffenlieferungen aus Syrien zu verhindern.
Das israelische Sicherheitskabinett hatte am Morgen die Ausweitung der Bodenoffensive entschieden. Regierungschef Ehud Olmert schloss bereits zuvor eine Waffenruhe für die kommenden Tage aus. Die Hisbollah soll hinter den Fluss Litani zurückgedrängt und deren Stellungen an und in der Nähe der Grenze zerstört werden, bevor eine Waffenruhe ausgerufen werden kann. Nach Medienberichten will Israel die Zahl der im Libanon eingesetzten Soldaten verdoppeln.
Der Leiter der UNICEF-Nothilfeprogramme, Dan Toole, kritisierte, bei den Kampfhandlungen im Libanon seien mehr Kinder umgekommen als Soldaten und Milizionäre. Ein Drittel der 620 Toten und 3200 Verletzten seien Kinder und Jugendliche. Der Koordinator des Libanesischen Rates für Humanitäre Hilfe Nabil al-Dschisr klagte, Hilfslieferungen kämen nicht in den umkämpften Gebieten an. Durch den Krieg sind im ganzen Land 800000 Menschen auf der Flucht. Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) warf Israel vor, die Verteilung von Hilfsgütern im Südlibanon zu behindern. »Die Menschen im Südlibanon haben bald keine Lebensmittel, kein Wasser und keine Medikamente mehr«, sagte WFP-Experte Amer Daoudi in Rom.
Steinmeier fordert bei der Suche nach einer Friedenslösung ausdrücklich eine stärkere Einbindung Syriens. Im Gegenzug für konstruktives Verhalten stellte er Damaskus den Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen in Aussicht.
Ein nach den israelischen Luftangriffen vor dem Libanon treibender riesiger Ölteppich kann Schäden und Folgekosten in Höhe von etwa 250 Millionen Dollar verursachen, wie gestern ein libanesischer Umweltexperte erklärte.

Artikel vom 02.08.2006