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Wo die Gäste selbst anpacken

Das WG-Hotel Kaiser möchte eine Kleinkunstbühne etablieren

Von Uta Jostwerner
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Kann das sein? Konzert und Kabarett, Kunst und Literatur im alteingesessenen Hotel Kaiser? Es kann. »Ich möchte hier eine Kleinkunstbühne etablieren«, sagt Yvonne Jung, die neue Pächterin des an der Schildescher Straße gelegenen Hotels.

Nach wechselnden Pächtern und wechselvoller Geschichte scheint der äußerlich eher unscheinbare Hotel- und Gaststättenbetrieb regelrecht aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Wachgeküsst hat ihn mit Yvonne Jung eine waschechte Berlinerin, die sich am Teuto eine neue Existenz aufbaut. In die Waagschale wirft sie dabei nicht nur 20 Jahre Erfahrung im gastronomischen Gewerbe, sondern auch eine zupackende und herzliche Art sowie jede Menge frischer Ideen.
So hat sie zunächst den Betrieb zum WG-Hotel mit gemütlicher Wohnzimmeratmosphäre umfunktioniert. Hotelgäste leben wie in einer großen Wohngemeinschaft: Jeder hat sein eigenes Zimmer, aber im Gemeinschaftsraum, der Gaststube, sitzen alle an einem Tisch. Die Atmosphäre ist locker, gekocht und eingekauft wird, worauf der Gast Appetit hat. Alle packen mit an. »Auch die Gäste, -ÊMonteure und Geschäftsreisende -Ê die sich hier heimisch fühlen«, sagt Yvonne Jung.
Daneben hat die engagierten Gastronomin den Restaurantbetrieb wieder geöffnet. »Viele wissen noch gar nicht, dass man hier auch essen und feiern kann.«
Doch damit nicht genug. Im schmucken, frisch renovierten, mit Stabparkett ausgelegten Saal möchte Yvonne Jung künftig ein regelmäßiges Kulturprogramm anbieten: »Ich denke da an Lesungen, Kabarett, Musik, Zauberei und Filmvorführungen.« Die Bestuhlung, so Jung, könne flexibel gehandhabt werden. Für eine Bühne und entsprechende Beleuchtung will sie sorgen.
Die Crux: Offiziell gibt es diesen 62 Quadratmeter großen »Saal« gar nicht. »Er ist zwar all die Jahre als solcher genutzt worden, beim Ordnungsamt aber als Abstellraum geführt worden«, erzählt Yvonne Jung. Ihre Vorpächter ersparten sich damit die Konzession. »Doch da ich ehrlich bin, habe ich wahrheitsgemäß den Saal angeben«, erzählt die neue Pächterin, die daraufhin beim Bauamt einen Antrag auf Nutzungsänderung stellte, ein Schallschutzgutachten sowie ein Brandschutzkonzept vorlegte.
Das war im November 2005. »Wir haben eine Menge Geld und Zeit investiert und schließlich die Baugenehmigung bekommen, obwohl nichts zu bauen war«, berichtet Jung.
Nutzen darf sie den Saal noch immer nicht. Die Mühlen der Bürokratie mahlen bekanntlich langsam. Deshalb gehen die ersten Kulturveranstaltungen nun im Gastraum über die Bühne. Die Generalprobe mit drei Schüler- und Studentenbands hat ergeben, dass es geht. »Man muss halt flexibel sein und etwas improvisieren«, sagt Yvonne Jung.
Buchen kann sie aufgrund der Umstände derzeit nur unbekanntere Künstler und Künstlerinnen. Solche, die am Beginn einer Bühnenkarriere stehen und gegen ein kleines Honorar sowie Kost und Logis auftreten. Fündig wird die gastronomische Kulturveranstalterin im Internet.
Den Anfang macht nun am Freitag, 8. September »Radioroad West«, eine Band aus studierten Jazz-Musikern, gefolgt von Philip Omlor, der am 16. September sein Stelldichein gibt. Omlor, auch der »singende Holländer aus Wanne-Eickel« genannt, ist ein regelrechtes Multitalent: Er spielt Gitarre, Klavier, Ukulele und Nasenflöte und erzählt tief-, blöd-, fein-, wahn- und unsinniges auf Deutsch, Englisch, Niederländisch, Rheinisch, Sauerländisch und Theatralisch.
Karten können unter der Telefonnummer 6 19 84 vorbestellt werden.

Artikel vom 31.07.2006