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Von Anfang an »bio-logisch«

Jacobi züchtet Öko-Saatgut -ÊAufsichtsratschef der Upländer Molkerei

Von Bernhard Hertlein
Körbecke (WB). Wer »Bio« ernten will, sollte »Bio« säen. Josef Jacobi, heimischer Pionier im ökologischen Landbau, hat sich seit 15 Jahren auf die Produktion von Bio-Saatgut spezialisiert. Spritzungen sind bei den Alternativen verpönt. Also darf möglichst schon das Saatgut keine Pilzsporen oder andere Krankheitserreger enthalten.

65 der 100 Hektar, die von Jacobis Biohof in Körbecke, einem Ortsteil von Borgentreich im Landkreis Höxter, bewirtschaftet werden, sind für die Produktion von Bio-Saatgut reserviert. Neben mehreren Weizen-, Roggen- und Dinkelsorten führt der Landwirt unter anderem Braugerste sowie Erbsen und Ackerbohnen. Für die »ungebeizte«, also chemisch unbehandelte Saat zahlen die Landwirte etwa ein Drittel mehr als für herkömmliche Ware. Die Öko-Markenzeichen Bioland, Naturland und Demeter schreiben ihren Einsatz vor. Die Nachfrage entwickelt sich Jacobi zufolge gut.
Ein tödlicher Autounfall seines Vaters führte 1972 dazu, dass der 19-jährige Josef Jacobi von einem auf den anderen Tag die Führung des 1632 erstmals erwähnten Bauernhofes übernahm. »Ökologisch« war damals noch ein Fremdwort. Erst 1980 rüttelte ein »Spiegel«-Artikel »Vergiftet uns die Landwirtschaft?«ÊBranche und Verbraucher auf. Auch Jacobi in dem 800 Einwohner zählenden Dorf Körbecke war aufgerüttelt. Noch im gleichen Jahr unternahm er erste alternative Anbauversuche. Abnehmer für das Bio-Getreide war eine Bäckerei in Kassel.
Heute ist der gesamte Hof auf Bio-Landwirtschaft umgestellt. Zu Saatzucht und Ackerbau kommen 40 Kühe, die mit dem Zuchtbullen im Tretmiststall untergebracht sind, 35 Stück Jungvieh, 25 glücklich suhlende Schweine, 15 Hühner und ein Hahn. Eine 27 kw-Photovoltaikanlage nutzt die Sonne zur Energieerzeugung.
Bewirtschaftet wird der Biohof außer von Jacobi und seiner Ehefrau von drei festen Mitarbeitern sowie mehreren Aushilfen. Neben dem Bauerngarten ist Heike Schäfer-Jacobi für den Hofladen verantwortlich. Eine besondere Anziehungskraft besitzen dabei die in der eigenen Käserei hergestellten zwölf Sorten von Schnittkäse. Aus 300 Litern Milch gewinnt sie wöchentlich 30 Kilogramm Käse.
Außer im Hofladen verkauft Jacobi den eigenen Käse, die Milchprodukte der Upländer Molkerei sowie Fleisch und Wurst auch auf drei Wochenmärkten in Warburg, Höxter und Brakel. Dabei kooperiert er mit dem befreundeten Beverunger Bio-Landwirt Hartmann. Während der Hofladen hauptsächlich von seiner Stammkundschaft lebt, ziehen die Marktstände ständig neue Käufer an.
Während konventionell arbeitende Landwirte einen Großteil ihrer Erzeugnisse an Konzerne oder Genossenschaften liefern und dabei den Kontakt zum Verbraucher verlieren, mussten sich die Bio-Bauern ihre Märkte suchen. Besonders schwierig war dies zu Beginn bei der Milch. Aus der Verärgerung, ihre gute Biomilch zum Teil konventionell verkaufen zu müssen, wuchs bei 16 Landwirten die Entschlossenheit, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Vor zehn Jahren übernahmen sie mit Mut zum Risiko und unterstützt durch einen BUND-Anlagefonds eine stillgelegte Molkerei im nordhessischen Willingen-Usseln. Heute beliefern 95 Biobauern die GmbH, die als größter Arbeitgeber am Ort 30 Leute beschäftigt und zuletzt von den 136 deutschen Molkereien den viertbesten Auszahlungspreis realisierte. Besonders stolz sind die Upländer auf ihre »Fair-Milch«: Der Aufpreis von fünf Cent geht direkt an die Erzeuger. Der Absatz ging nach der Einführung nicht etwa in den Keller, sondern klar nach oben.

Artikel vom 29.07.2006