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Israels Angriff
auf Kana löst
Entsetzen aus

Mindestens 56 Menschen getötet

Rom/Beirut (dpa). Ein verheerender israelischer Angriff auf das Dorf Kana im Südlibanon hat gestern weltweit Entsetzen und Empörung ausgelöst. Der französische Präsident Jacques Chirac verurteilte den Angriff, bei dem 37 Kinder und 19 erwachsene Zivilisten getötet wurden, als »unentschuldbar«.

Das bislang folgenschwerste Bombardement seit Beginn des Libanon-Krieges vor fast drei Wochen versetzte Bemühungen von US-Außenministerin Condoleezza Rice um eine Beruhigung der Lage einen herben Rückschlag. Der libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora sprach von »Staatsterrorismus«. Er forderte eine sofortige Waffenruhe, sonst werde es keine Verhandlungen mit Israel geben. Rice sagte daraufhin ihren Besuch in Beirut ab.
Der Weltsicherheitsrat trat auf Drängen des Libanons zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. UN-Generalsekretär Kofi Annan kritisierte den Luftangriff scharf und verlangte sofortige Waffenruhe. Israel bedauerte die zivilen Opfer, bekräftigte aber, die Militärschläge fortzusetzen. In Beirut stürmte eine wütende Menge das Gebäude der UN-Vertretung. Die radikal-islamische Hisbollah kündigte »harte Vergeltung« an.
Helfer sagten, mehr als 60 Menschen, zumeist Zivilisten, hätten im Keller des getroffenen vierstöckigen Gebäudes in Kana Schutz gesucht. Rettungskräfte und Dorfbewohner gruben mit bloßen Händen die Toten und Verletzten aus. »Die meisten Menschen hier sind vor dem Bombenhagel anderswo im Südlibanon geflohen. Unter den Trümmern sind immer noch Verwundete, und wir schaffen es nicht, sie zu bergen«, sagte ein Rotkreuzmitarbeiter.
Israels Regierungschef Ehud Olmert drückte »tiefes Bedauern« aus. Sein Land versuche, keine Zivilisten zu treffen. Der Hisbollah warf er vor, Zivilisten als Schutzschilde für ihre Angriffe zu nutzen. »Wir werden den Krieg nicht beenden«, wurde Olmert zitiert. »Die Hisbollah, wie der ganze muslimische Terror, bedrohen die westliche Zivilisation.« Die israelische Armee weitete ihre Einsätze von Bodentruppen im Libanon Richtung Norden aus. Um den libanesischen Grenzort Taibe gab es Gefechte, wie es hieß.
Seit Beginn des Konflikts am 12. Juli kamen nach Angaben Sinioras mehr als 700 Menschen im Libanon ums Leben, 3000 wurden verletzt. In Israel gab es nach Armeeangaben 51 Tote.
US-Präsident George W. Bush will die jüngste Gewalt- und Terrorwelle im Nahen Osten zu grundlegenden Umwälzungen nutzen. Er bezeichnete den Konflikt als tragisch. »Aber dies ist die Gelegenheit für größere Veränderungen im Nahen Osten.«
Die Bundesregierung setzte sich vehement für eine diplomatische Lösung ein. Außenminister Frank-Walter Steinmeier verlangte einen schnellstmöglichen Waffenstillstand: »Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Konflikt nur im Rahmen einer politischen Regelung gelöst werden kann.«
In New York soll heute ein Treffen möglicher Teilnehmerländer einer Libanon-Truppe stattfinden. Die USA und Großbritannien wollen multinationale Truppen entsenden. S. 2: Kommentar

Artikel vom 31.07.2006