28.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Der Tod am Mont Ventoux

Doping ist immer mit auf Tour: »Selbstmörder« und radelnde Apotheken

Paris/Hamburg (WB/dpa). Der »Fall Floyd Landis« und das traurige Vorspiel: Bereits einen Tag vor der Tour de France 2006 hatte die in Spanien aufgedeckte Affäre um den spanischen Mediziner Eufemiano Fuentes die Radsportwelt in ihren Grundfesten erschüttert.

Vor der 93. Auflage der Frankreich-Rundfahrt waren unter anderem Jan Ullrich, Ivan Basso (Italien), Oscar Sevilla, Francisco Mancebo und Joseba Beloki (alle Spanien) von der Tour ausgeschlossen worden.
Ein Blick zurück: Seit ihrer ersten Auflage 1903 ist Doping ein ständiger Begleiter der Tour de France. Die dreiwöchige »Ochsentour« durch die Alpen und Pyrenäen ließ immer wieder Fahrer zu verbotenen unterstützenden Mitteln greifen. Seit dem bislang größten Skandal bei der 85. Tour 1998 ist Doping im Radsport global ein Dauerthema.
Der Amerikaner Floyd Landis wäre allerdings der erste Tour-Sieger, der des Dopings überführt würde. Er wies bei seinem von vielen so bestaunten Erfolg auf der 17. Etappe nach Morzine einen ungewöhnlich hohen Testosteron/Epitesteroston-Wert auf.
Nachgewiesene Doping-Praktiken gehen bis ans Ende des 19. Jahrhunderts zurück. 1886 fiel beim Rennen Bordeaux - Paris der Engländer Linton tot vom Rad - er hatte Aufputschmittel genommen. Beim olympischen Straßenrennen 1960 brach Gold-Gewinner Knud Jenssen nach der Zieldurchfahrt tot zusammen. Er war gedopt.
Das erste Doping-Todesopfer beim schwersten Radrennen der Welt gab es am 13. Juli 1967: Der Engländer Tom Simpson kollabierte beim Anstieg zum 1912 Meter hohen Mont Ventoux. In Simpsons Trikottaschen wurden später mehrere Röhrchen mit Amphetaminen gefunden.
1969 wurde der deutsche Rennfahrer Rudi Altig auf der 14. Etappe der Tour de France ertappt. Der Spitzname für den Deutschen: die radelnde Apotheke. Im gleichen Jahr überführten die Fahnder beim Giro d'Italia den fünfmaligen Tour-Sieger Eddy Merckx. 1980 musste Dietrich Thurau nach der dritten positiven Probe die Tour beenden.
1988 gewann der Spanier Pedro Delgado die Tour mit Doping verschleiernden Mitteln, die der Radsport-Weltverband UCI 15 Tage nach seinem Sieg verbot. Im gleichen Jahr wurde der drei Mal überführte Däne Kim Anderson als erster Radrennfahrer lebenslang gesperrt.
Am 1. Januar 1997 führte die UCI Bluttests ein, und ein Jahr später erlebte die Frankreich-Rundfahrt ihren größten Dopingskandal, als Festina-Masseur Willy Voet mit 400 EPO-Ampullen erwischt wurde. Der spanische Rennstall wurde ausgeschlossen, die Tour stand vor dem Abbruch. Bei der Italien-Rundfahrt 1999 wurde der Giro-und Tour-Sieger von 1998, Marco Pantani, wegen Blutdopings ausgeschlossen.
Der Fund einer Insulin-Spritze beim Giro wurde zum Verhängnis für den Wiederholungstäter. Pantani wurde am 17. Juni 2002 für acht Monate gesperrt. Im Februar 2004 starb der Italiener in Rimini an einer Überdosis Kokain.
Beim Skandal-Giro 2002 wurden die früheren Sieger Stefano Garzelli, Gilberto Simoni sowie Roberto Sgambelluri (alle Italien) und Faat Zakirow (Russland) des Doping überführt. Im selben Jahr fielen bei der Tour alle 141 Doping-Kontrollen negativ aus.
Ein Jahr später wurde der Spanier Javier Pascual Llorente des Blutdopings überführt. Er gehörte dem Kelme-Team an, das 2004 von der Tour ausgeschlossen wurde. Zeitfahr-Weltmeister David Millar ging den Kontrolleuren noch vor dem Tour-Start ins Netz. Während der Tour 2005 wurde der Italiener Dario Frigo enttarnt.

Artikel vom 28.07.2006