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Von Matthias Meyer zur Heyde

Bielefelder
Optik

Kot gegen Exzellenz


Wie gefällt Ihnen Wetter? Nun ja, werden Sie antworten, es kommt drauf an, ob's regnet oder ob die Sonne scheint. Richtig. Nächste Frage: Wie gefällt Ihnen Freiheit? Und jetzt sagen Sie bitte nicht: Freiheit ist ganz toll. Was nämlich die Freiheit angeht, so kommt es ebenfalls drauf an: Freiheit wovon? Freiheit, was zu tun?
Zuviel Freiheit macht angst. Sogar Rektoren möchten mal gezwungen werden. Als im September 2005 klar wurde, dass Düsseldorf mit der Frage, ob man in NRW Studiengebühren erhebe, und wenn ja, in welcher Höhe, die einzelnen Hochschulen alleinlassen würde, erschauerten die Uni-Chefs vor soviel Freiheit: Der Präsident der Landesrektorenkonferenz befürchtete schon damals zermürbende Gefechte.
Der Präsident, niemand anders als Bielefelds Rektor Dieter Timmermann, sollte recht behalten. Schlimmer: In seinem Hause gehört Gewalt gegen Menschen und gegen Sachen derzeit zum Alltag. An Rhein und Ruhr und besonders am Teuto müssen nun die Rektoren die Angst der Politiker vor der Freiheit, eigenverantwortlich Gesetze zu erlassen, ausbaden. Sie haben den Schwarzen Peter. Timmermann wollte ihn nicht, aber was blieb ihm anderes übrig in einem Land, in dem der Regierungspräsident und sein Wissenschaftsminister feige in Deckung gehen?
1968 zerbrach eine Wertegemeinschaft, die viel älter war als die Bundesrepublik - fortan nahm sich jeder die Freiheit, eigenhändig sein individuelles Weltbild zu zimmern. Darüber sind wir Einzelkämpfer in der Globalisierung angekommen, soll heißen: im Wettbewerb jeder gegen jeden.
Die Hochschulen selbst waren es, die in den 90ern die schöne, aber nicht länger finanzierbare Idee ad acta legten, Bildung für alle zu vermitteln. Das Studium ist zur bloßen beruflichen Qualifizierungsmaßnahme verkommen. Und derweil das politische Individuum das Geld in genau jene Kanäle leitet, die in die eigene Wiederwahl münden, erhebt das wissenschaftliche Individuum Studiengebühren zwecks Finanzierung von Exzellenzoffensive und Graduiertenkolleg.
Am Ende dieser Entwicklung werden wir viele Universitäten haben, in denen man gemütlich vor sich hin studiert, und ganz wenige Tempel, in denen die Elite geweiht wird, die um Deutschlands Platz in der Weltgesellschaft ringen soll.
Noch aber sind wir in der schönen neuen Welt nicht angelangt. Noch wird mit Rinderkot geworfen.

Artikel vom 29.07.2006