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Auto unter Baum:
Fahrer soll zahlen

Versicherung lehnt Schadenersatz ab

Von Jens Heinze (Text und Foto)
Bielefeld (WB). Für Peter-Jürgen Lind (68) war der Fall klar wie die sprichwörtliche Brühe. Am 19. Juli fiel dem ehrenamtlichen Helfer des »Bielefelder Tisches« auf dem Gelände der gemeinnützigen Organisation an der Heeper Straße ein Baum auf seinen Pkw - und nun würde die Versicherung zahlen.

Doch nun schein alles anders zu kommen.
Das morsche Grün vom Nachbargrundstück war bei völliger Windstille auf Linds blauen Audi 100 gekracht, der 14 Jahre alte Pkw wurde von vorne bis hinten zerkratzt. Geschätzter Sachschaden: 2500 Euro. Zu zahlen hat nach Linds Meinung die Versicherung des Grundstückseigentümers, auf dessen Boden der morsche Baum stand.
Grundstückseigentümer ist in diesem Fall die Bielefelder gemeinnützige Wohnungsgesellschaft (BGW), die zuständige Versicherung ist die Provinzial in Münster. Und diese hat dem 68-jährigen Gadderbaumer jetzt geschrieben: »Eine Haftung der BGW für den eingetretenen Schaden ist aber leider nicht gegeben.« Denn: »Für die BGW war nicht erkennbar, dass der Baum erkrankt war. Er stand in vollem Grün, Faulstellen waren nicht zu erkennen«, heißt es in dem Brief mit Datum 25. Juli weiter. Fazit der Provinzial: »Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung ist somit auch nicht gegeben.«
Norbert Müller, Geschäftsführer der BGW, stimmte auf Anfrage der Meinung seiner Haftpflichtversicherung zu. Beim Fall »Morscher Baum der BGW fällt auf fremdes Auto« handele es sich um einen Fall von höherer Gewalt. Müller: »Wir bedauern das sehr, aber wir selbst dürfen nicht regulieren.«
Autofahrer Peter-Jürgen Lind, der seinen Audi regelmäßig für Lebensmittel-Transporte des »Bielefelder Tisches« und zweimal jährlich für Hilfstransporte nach Rumänien einsetzt, will jetzt mit Hilfe des ADAC um sein Recht kämpfen. »Ich sehe die BGW schon in der Pflicht«, meinte am Freitag ADAC-Jurist Christian Döhler. Die Argumente der Provinzial sind seiner Ansicht nach »reine Schutzbehauptungen«.
Ob das allerdings auch ein Zivilgericht so sehen wird, ist laut Döhler völlig offen: »Die Chancen stehen 50:50«. Wer bei diesem Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang auf der sicheren Seite stehen wolle, der sollte für den Fall eines Baumunfalls am besten eine Vollkaskoversicherung fürs Auto abschließen. Die Teilkasko reiche nicht. Döhler: »Da wird erst ab Windstärke 8 gezahlt.«

Artikel vom 29.07.2006