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Problem bleibt länger bestehen

Chef des Vogelgrippe-Krisenstabs erwartet im Herbst neue Ausbreitung

Der Chef des Vogelgrippe-Krisenstabes im Umweltministerium, Staatssekretär Gert Lindemann, nimmt im einem WESTFAELN-BLATT-Interview Stellung zur Situation um die Tierseuche.
Gert Lindeman, Chef des Vogelgrippe-Krisenstabes.

Monatelang gab es eine große Aufregung um die Vogelgrippe, nun ist alles ruhig. Ist das Virus verschwunden? Lindemann: Nein. Wir haben im Mai unseren letzten Befund bei Wildtieren gehabt. Für den Herbst, wenn sich die Vögel wieder sammeln, befürchten unsere Experten auch bei uns wieder ein stärkeres Seuchengeschehen, dann wird es auch wieder eine größere Öffentlichkeit geben.
Wie gefährlich ist das Virus eigentlich für den Menschen?Lindemann: Das Virus ist hoch gefährlich. Wir müssen weiterhin sehr diszipliniert mit der Seuche umgehen. Besonders das Überspringen des Virus auf Katzen hat uns allen gezeigt, wie nahe die Ansteckungsgefahr an den Menschen gerückt ist. Wir haben auf Rügen die Schleimhäute der Tiere an den Augen und der Nase untersucht, die waren hoch infektiös. Stellen Se sich einmal vor, Kinder hätten mit diesen Tieren gespielt. Also, größte Vorsicht ist weiterhin geboten.

Die Geflügelzüchter kritisieren sehr lautstark die dauerhafte Aufstallung der Tiere. Ist das berechtigt?Lindemann: Die jetzige Aufstallungspflicht, gekoppelt an Ausnahmeregelungen, ist für die nächsten Jahre der richtige Weg. Zur Zeit sind in Deutschland nur noch 10 Prozent der Tiere in Risikogebieten aufgestallt. Die Sperrzonen sind aufgehoben. Dass wir damit die richtigen Maßnahmen und Regelungen getroffen haben, zeigt ja auch die Tatsache, dass wir bisher nur einen Ausbruch bei Nutztiergeflügel hatten. Andere Länder haben damit viel stärker zu kämpfen.

Die Opposition fordert von Ihnen »Impfen statt töten« - warum impfen wir in Deutschland die Tiere nicht?Lindemann: Der Satz müsste richtig heißen: »Impfen, dann töten«. Das Impfen schützt nicht vor Keulung, wenn das Virus ausbricht. Die Niederländer habe nur geimpft, um Zeit zu gewinnen. Bisher fehlt uns im übrigen weltweit ein brauchbarer Impfstoff gegen die Vogelgrippe bei Tieren. Wir benötigen einen wirksamen, zugelassenen Impfstoff, der geimpfte Tiere unterscheidbar macht. In unserem Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems arbeiten wir mit Hochdruck daran. Ich bin optimistisch, dass wir in wenigen Jahren dort einen Durchbruch erzielen.

Wird die Vogelgrippe in Deutschland und Europa ganz zu besiegen sein, oder müssen wir länger mit dem Virus leben? Lindemann: Ich glaube, wir werden für längere Zeit mit der Vogelgrippe leben müssen. Die Natur kennt keine Grenzen. Bei einer Seuche mit solch einem globalen Ausmaß wird es immer wieder Regionen geben, in denen es zu Ausbrüchen kommt. Auch bei uns. Umso wichtiger, dass wir sehr aufmerksam überall das Geschehen beobachten und bekämpfen. Bei der Bündelung und Koordinierung unserer Maßnahmen haben wir noch Hausaufgaben zu machen, hier muss die Abstimmung zwischen den Kommunen, Ländern und dem Bund noch besser und schneller erfolgen.

Artikel vom 29.07.2006