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  Es wäre ein großer
  Fehler, im Kongo
  nicht zu Ende zu
  bringen, was man
  angefangen hat.

Leitartikel
Kongo-Wahl

Bewährung
für Europa
kommt noch


Von Dirk Schröder
Seitdem die Bundeswehr-Soldaten Anfang dieses Monats zu ihrem Einsatz im Kongo abgeflogen sind, hat sich die zum Teil aufgeregte Diskussion um das Für und Wider dieses Einsatzes in Deutschland wieder gelegt.
Nicht so bei den deutschen Soldaten in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa. Dort steigt die Spannung zusehends. Am gestrigen Sonntag ist gewählt worden - in einem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land, in einem Land, in dem auch heute noch täglich mehr als 1000 Menschen durch Gewalttaten ums Leben kommen.
Nach mehr als 40 Jahren durften die Kongolesen frei wählen - der EU-Truppe, die dabei helfen will, begegnen die Menschen dennoch mit größtem Misstrauen.
Das kann nicht überraschen, seit zehn Jahren versinkt das Land in blutiger Anarchie, allein in der Hauptstadt Kinshasa leben von den nahezu neun Millionen Menschen die meisten unter menschenunwürdigen Verhältnissen in den Slums. Die reichlich vorhandenen Rohstoffreserven hingegen nützen nur wenigen, die sich ungeniert bereichern.
Am Wahltag war es friedlicher als gedacht, doch alles, was jetzt kommt, ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Bisher hat die Bundeswehr in Kishasa eine verhältnismäßig ruhige Zeit verlebt. Doch schon in dieser Woche könnten die deutschen Soldaten zwischen alle Fronten geraten. Dann nämlich, wenn die Kandidaten sich darum streiten werden, wer die Wahl gewonnen hat, ist die EU-Truppe gefragt, um mögliche Unruhestifter abzuschrecken.
Und kommt es zu einem zweiten Wahlgang, wovon viele Beobachter ausgehen, kommt Verteidigungsminister Franz Josef Jung mit seinem Versprechen in Schwierigkeiten, Weihnachten sei die Bundeswehr wieder zu Hause. Sollte diese Wahl erst im November stattfinden - ein realistischer Zeitpunkt - kann die Bundeswehr ihren Auftrag im geplanten Zeitraum nicht erfüllen.
Es wäre jedoch ein großer Fehler, nicht zu Ende zu bringen, was man angefangen hat. Die Hilfe bei der Absicherung der Wahlen kann nur ein Anfang sein. Auch nach erfolgreicher Wahl wird im Kongo noch lange kein Frieden und noch viel länger kein normales Leben herrschen.
Cap Anamur-Gründer Rupert Neudeck spottet angesichts des immer noch »wilden Ostens« des Kongos, die Bundeswehr gehe dorthin, wo sie keiner braucht. Dennoch: Für die EU ist es der erste große Einsatz in Afrika, wenn auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der Gewalt, die den schwarzen Kontinent beherrscht.
Zu Demokratie kann man kein Land einfach verdonnern, das müssen momentan die USA so bitter im Irak erfahren. Eine neue Regierung in Kinshasa muss angesichts der chaotischen Verhältnisse zwangsläufig bei Null anfangen. Bei noch so gutem Willen, ohne Hilfe wird dies nicht gelingen. Der jetzige EU-Einsatz ist nur ein Test, die wirkliche Bewährungsprobe für Europa kommt erst noch.

Artikel vom 31.07.2006