28.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Floyd Landis

»Bei Lance Armstrong habe ich alles gelernt, was man für den Tour-Sieg braucht.«

Leitartikel
Radsport-Ruf ist ruiniert

Landis, Basso, Ullrich und viele andere


Von Hans Peter Tipp
Nach der Tour ist vor der Tour: Das stimmt seit gestern mehr denn je. Nach dem Prolog mit den Verdachtsfällen Jan Ullrich und Ivan Basso nun der A-Proben-Fall Floyd Landis: Alles retour? Nein, das ist selbst im Radsport neu: Der US-Amerikaner ist in der 103-jährigen Geschichte des härtesten, schwersten und bedeutendsten Rennens der Welt der erste Sieger, der des Dopings überführt worden ist - sofern die B-Probe den dringenden Tatverdacht bestätigt.
Dass Floyd Landis (»Bei Lance Armstrong habe ich alles gelernt, was man für den Tour-Sieg braucht«) nicht der erste Fahrer im Gelben Trikot ist, der unerlaubt nachgeholfen hat, kann dennoch behauptet werden. Sogar Tour-Direktor Jean Marie Leblanc bezeichnet beispielsweise den siebenfachen Toursieger Armstrong hartnäckig als gedopt, weil dieser bei seinem ersten Sieg EPO im Blut gehabt habe.
Doch gerade der jüngste Vorfall wirft viele Fragen auf. Floyd Landis wurde nämlich mit einem zu hohen Testosteronwert erwischt, als sich ohnehin alle Welt gefragt hatte, wie man einen Tag nach der totalen Erschöpfung so locker über die Berge kommen könne. Landis wusste doch, dass im Ziel nach den lokalen Schönheitsköniginnen die Dopingfahnder warteten. Hatte er geglaubt, nicht erwischt zu werden? Oder hatte er sich einfach nur bei der Dosierung seines Schnellmachers vertan?
Sicher scheint, dass sich der Respekt der Profis vor den Kontrollen in Grenzen hält, wenn trotzdem munter ins Köfferchen gegriffen wird.
Und dann noch die Unverfrorenheit, wie sich der Amerikaner in Paris nach seinem Triumph feiern ließ und sogar noch seine Tochter mit auf das Podium nahm. Floyd, der Sieger. Floyd, der Familienmensch. Floyd, das Vorbild. Zu schön, um wahr zu sein - wie wir seit gestern wissen.
Den Schaden trägt der gesamte Radsport. Und dabei hatten alle Beteiligten geglaubt, ihn mit einer sauberen Tour wieder mal gerettet zu haben. Nun werden sie erneut laut, die Rufe nach ausgefeilteren Tests, härteren Bestrafungen und gesetzlichen Regelungen. Doch wenn der Sport sauberer werden soll, muss die Erneuerung von innen kommen.
Nur wenn der innere Zirkel des Pelotons das will, wird sich etwas ändern. Jeder Fahrer, jeder Teamleiter, der an einem fairen Wettstreit ohne Doper, Drogen und Dealer interessiert ist, sollte endlich auspacken und alles über die illegalen Praktiken seiner Branche berichten.
Niemand darf mehr wegschauen, wenn sich sogenannte Berater mit zwielichtigem Ruf in der Nähe der Fahrer herumtreiben. Allein in einem Klima der Offenheit und mit einer Kultur der Ehrlichkeit kann der restlos ruinierte Ruf des Radsports nun noch repariert werden. Ansonsten wird weiter getäuscht und getrickst.
Übrigens: Am Mittwoch und Donnerstag kommt die Deutschland-Tour mit den noch verbliebenen besten Radprofis der Welt nach Ostwestfalen-Lippe. Dopingfahnder fahren auch hier mit.

Artikel vom 28.07.2006