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Hisbollah ist ein schwieriger Feind

Schiiten-Miliz immer noch tief verwurzelt in der libanesischen Bevölkerung

Von Carsten Hoffmann
Tel Aviv (dpa). Im Kampf um die Hisbollah-Hochburg Bint Dschbeil waren Siegesmeldungen der israelischen Armee verfrüht. Der Feind sei in die Flucht geschlagen, verkündete der israelische General Gal Hirsch nur einen Tag nach dem Beginn der Offensive gegen die südlibanesische Grenzstadt.
Das Hisbollah-Viertel im Süden Beiruts liegt in Schutt und Asche. Am Tag zuvor hatte die israelische Luftwaffe hier Angriffe geflogen.

»Die Hisbollah erkennt die Niederlage und greift deshalb nicht an«, meinte er. Doch schon Stunden später kam es gestern ganz anders.
Nach libanesischen Angaben wurden zwischen acht und zehn Israelis in schweren Gefechten um die schon als eingenommen bezeichnete Stadt getötet. Mehr als 20 Soldaten wurden verletzt. Von Haus zu Haus, in Hinterhöfen, auf kürzeste Entfernung wurde gekämpft.
Die Hisbollah erweist sich für die in den Palästinensergebieten an schnelle Erfolge gewöhnte Armee als schwieriger Feind. Noch vor einer Woche war die Militärführung davon ausgegangen, die von Iran unterstützte Schiiten-Miliz binnen 14 Tagen weitgehend handlungsunfähig machen zu können. Doch während der Militäroffensive in die dritte Woche ging, feuert die Miliz jeden Tag bis zu 100 Raketen auf den Norden Israels.
Der untergetauchte Führer der Hisbollah, Hassan Nasrallah, droht sogar, die Raketenangriffe noch auf Ziele in Richtung Tel Aviv auszuweiten. Israelischen Militärvertretern erscheint Nasrallah bei seinen Fernsehauftritte zwar inzwischen »bleich« und »müde«. Doch dass er nach dem Abwurf von 23 Tonnen Bomben auf seinen vermuteten Unterschlupf überhaupt noch vor die Kamera treten kann, schmerzt die Militärs.
Eine große Mehrheit der Israelis ist für den Militäreinsatz. Der Verlauf wirft aber viele kritische Fragen auf. »Die Öffentlichkeit versteht die Bodenoffensive nicht so richtig. Sie hat das Gefühl, dass etwas in der Maschinerie nicht richtig läuft. Es ist zu langsam, zu beschränkt, mit zu vielen Unfällen. Es sollte anders aussehen«, schrieb ein Kommentator.
Ein Militärsprecher räumt ein, dass es sehr schwer wird, einen Sieg über die in der libanesischen Bevölkerung tief verwurzelte Schiiten-Miliz zu verkünden. Gleichzeitig gehen die Israelis davon aus, dass die Hisbollah den bisherigen Verlauf der Kämpfe als Triumph für die eigene Sache darstellen wird.
»Der Krieg ist festgefahren und es wird lange dauern, die Ziele zu erreichen. Der Feind ist untergetaucht und weit davon entfernt, sich zu ergeben«, schrieb die israelische Tageszeitung »Maariv« gestern. »Es klingt seltsam, aber Israel, das immer gegen internationale Mitwirkung in dem Gebiet war, verlangt nun nach einer internationalen Truppe mit echten Befugnissen - eine Truppe, die schießen kann, nicht nur Ferngläser schwenken - als Puffer zwischen uns und den Libanesen.«

Artikel vom 27.07.2006