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Hühnerdraht schützte Nichtschwimmer

Vom Baggersee mit Sandstrand zum Naturbad? - Freibad Brackwede feiert 80. Geburtstag

Von Peter Monke
Brackwede (WB). Die genaue Vorgeschichte der Freibadgründung in Brackwede ist im Dunkel der Jahrzehnte verschollen. Es gibt jedoch die Legende, dass mit dem Bau die Ansiedlung eines FKK-Vereins auf dem Gelände verhindert werden sollte. Wie dem auch sei: Der Bau eines Freibades erwies sich als voller Erfolg - bis heute zieht es bei warmem Wetter ganze Besucherscharen ins kühle Nass. Am 15. August jährt sich der Gründungstag zum 80. Mal.

Was 1926 in Form von »Notstandsarbeiten« mit Hacke, und Spaten in nur wenigen Monaten aus der Erde gestampft wurde, hatte mit dem Bad heutiger Prägung jedoch nicht viel gemein. Anstelle der Becken erstreckte sich ein riesiger Baggersee - damals wie heute gespeist vom Wasser der Lutterquellen. Schwimmer und Nichtschwimmer wurden durch einen Hühnerzaun getrennt, der mitten durch die Wasserfläche gezogen war. Gesäumt war der See von einem Sandstrand und einer Reihe kleiner Umkleidehäuschen - etwa 100 an der Zahl -, die von den Badegästen genutzt werden konnten.
Auf dem Gelände befand sich außerdem ein eigenes Duschhaus und der legendäre »Erbsenbrunnen«, an dem sich die Bevölkerung Quelles vor dem Zweiten Weltkrieg tagtäglich mit frischem Trinkwasser versorgte. Die Pumpen, die dem See das Wasser lieferten, mussten Tag und Nacht laufen. Kontrolliert wurde dies von einem eigens angestellten Pumpenwärter, der sich vor allem nachts über Besuch gegen die drückende Langeweile seiner Tätigkeit gefreut haben soll.
Den Zweiten Weltkrieg überstand das Bad ohne größere Beschädigungen. Trotzdem begann 1947 ein Umbau. Der Baggersee musste einer Beckenstruktur weichen, die inklusive der Filtertechnik bis heute erhalten geblieben ist und dem Bad einen ganz eigenen Charakter verleiht. So gibt es zumindest in ganz Norddeutschland kein weiteres Bad, dass eine 100-Meter-Bahn aufweisen kann. Ein in den 30er Jahren errichteter Holz-Sprungturm wurde abgerissen und durch den heutigen Bau mit Fünf-, Drei- und Ein-Meter-Brett ersetzt. Der so genannte »Glaspalast«, eine Kombination aus Tanzcafé und Gastronomiebetrieb, avancierte zum beliebten Treffpunkt und sorgte der Legende nach mit dafür, dass mindestens die Hälfte aller Ehen in Quelle und Umgebung im Freibad Brackwede ihren Anfang nahmen.
Bis zu 15 000 Besucher zählte das Bad in den 60er Jahren - pro Tag versteht sich. Mit der Finanzkrise der Kommunen wurde jedoch auch hier der Rotstift angesetzt. Zunächst verschwanden die kleinen Umkleidekabinen, dann das Duschhaus, schließlich sogar der liebgewonnene »Glaspalast«. Zum 50. Geburtstag des Freibades im August 1976 sah sich die Stadt nicht einmal in der Lage, eine Feier zu organisieren. Für Umkleiden, sanitäre Anlagen und Duschen entstand immerhin der noch heute benutzte Klinkerbau, der jedoch schon damals eher durch Funktionalität als durch Charme zu überzeugen wusste. In den ersten Jahren war hier auch eine Garderobe untergebracht, an der die Freibadbesucher - ähnlich wie im Theater - ihre Kleidung bei einer Garderobenfrau abgeben konnten.
1992 wurde die bereits lange währende Diskussion über eine Schließung und alternative Nutzung des Freibadgeländes so ernst, dass ein Förderverein ins Leben gerufen wurde - der erste dieser Art in Bielefeld. Dank zahlreicher ehrenamtlicher Helfer gelang es, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Ob Strom- und Wasserfinanzierung, Reinigung der Becken oder Pflege der Grünanlagen - der Förderverein regelt derlei Dinge in Eigenregie. Langfristig soll die Existenz der Anlage durch deren Umbau in ein Naturbad gesichert werden. Dass die Queller und Brackweder »ihrem« Bad weiterhin die Treue halten, beweisen die Besucherzahlen: 25 000 Schwimmer wagten in diesem Jahr bereits den Sprung ins kühle Nass.

Artikel vom 27.07.2006