27.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Geschockt« über das Unwissen

Junge Palästinenserin kämpft gegen Vorurteile - Gast des Zonta-Clubs

Von Hartmut Horstmann
Bielefeld/Herford (HK). Der Unterschied könnte größer kaum sein: hier Frieden und Ordnung, dort Gewalt und tägliche Unsicherheit. Von ihrem Alltag in Palästina berichtet die 22-jährige Studentin Ghada Mubarak, die auf Vermittlung des Bielefelder Zonta-Clubs ein Praktikum in einem Herforder Architekturbüro macht.

Der Kontakt zum Büro »rbb architekten« entstand durch die Rechtsanwältin Sabine Gätjen, die Präsidentin des Zonta-Clubs Bielefeld ist. Dieser Zusammenschluss von Frauen, der weltweit organisiert ist, versteht sich als »modernes Netzwerk zur Unterstützung und Förderung von Frauen in Beruf und Gesellschaft«.
Zu den Projekten, die in diesen Bereich fallen, gehört die Vermittlung von Praktika - wobei die Bielefelder hier mit dem Deutsch-Palästinensischen Jugendwerk zusammen arbeiten. Marita Kappler, Vorstandsvorsitzende der Stiftung, sagt, mit der Unterstützung der Jugendprojekte solle zur Verständigung zwischen jungen Deutschen und Palästinensern beigetragen werden. Beide Organisationen hoffen auf Sponsoren, um weitere Praktika finanzieren zu können.
Worum es geht, wenn man von Verständigung spricht, wird deutlich, wenn man der 22-jährigen Ghada Mubarak zuhört. Ausgangssperren, Checkpoints, Bedrohung: Das ist das Leben, von dem sie erzählt. Ihre ersten Erfahrungen in Deutschland - die Architekturstudentin ist in einem Studentenwohnheim in Bielefeld untergebracht: Sie sei »geschockt«, wie wenig die Deutschen von ihrer Heimat wüssten, sagt sie.
Verständigung kann es nur geben, wenn man voneinander weiß: Und die in Bethlehem lebende Bachelor-Absolventin erfuhr nach eigenen Angaben, dass viele Deutsche Palästinenser mit Islamisten gleichsetzten. Dabei sei sie Christin. Lange Zeit seien die religiösen Unterschiede nicht wichtig gewesen, jetzt indes sei das Gemeinwesen in ihrem Land zerstört.
Die Ausgangssperren beispielsweise führen zu gravierenden Beschränkungen. So leben ihre Eltern eigentlich in Bethlehem, aber der Vater muss im nicht weit entfernten Ramallah bleiben, weil er dort arbeitet und nicht nach Hause kann.
Schnell wird im Gespräch mit der 22-Jährigen klar: Es geht nicht um Geld, es geht um Würde, um die Möglichkeit, frei und in Frieden zu leben. Dieses Pochen auf Würde prägt auch ihr Verhältnis zum Praktikum in Herford. Der Umgang mit dem Zonta-Club und der Stiftung sei »von Mensch zu Mensch« erfolgt, betont die Palästinenserin. Sie habe nie den Eindruck gehabt, sich als Bettlerin fühlen zu müssen. »Es ist wichtig, dass man in Augenhöhe miteinander kommuniziert«, bekräftigt Architekt Hartwig Rullkötter.
In Deutschland sei alles professionell und voller System, nennt die Studentin einen Grund, sich für das Praktikum zu bewerben: »In Palästina brauchen wir diese Organisiertheit.« Mubarak kehrt nach ihrem Praktikum in ihre Heimat zurück, um ihren Teil zu einer friedlichen Zukunft beizutragen. Mit anderen Studenten wird sie ein Haus eröffnen, in dem Menschen verschiedener Konfessionen ohne Angst verkehren können. Dieses Religions-Übergreifende spielt für die Zonta-Präsidentin Sabine Gätjen eine große Rolle. So könne sie sich auch vorstellen, Projekte mit Frauen aus Israel zu unterstützen: »Allerdings brauchen die Palästinenser unsere Hilfe zur Zeit dringender.«

Artikel vom 27.07.2006