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Der schwere Weg in die Fremde:
Italiener wandern nicht gern aus

Zwei Weltmeister wechseln nach Spanien - Trapattonis Erfahrungen

Von Klaus Lükewille
Rom/Turin (WB). Bella Italia. Sonne, Strände, Wein und Pasta. Aber als da unten im Süden vor fünf Jahrzehnten die Arbeit knapp wurde, zogen sie über die Alpen in Richtung Norden, die Italiener. Väter verließen ihre Familien, sie schafften vor allem in Deutschland an.

Bella Italia. Für die meisten Profi-Fußballer aus dem Weltmeister-Land die ewige Heimat. Denn während sich einst die Gastarbeiter auf den weiten Weg machten, um in Hamburg, Köln, Berlin oder Bielefeld ihr Geld zu verdienen, hatten die Rasen-Stars einen Wechsel nie nötig.
Sandro Mazzola und Gianni Rivera, Gigi Riva, Dino Zoff oder Paolo Rossi, die Asse früherer Jahre, sie blieben bei »Mama«, sie kassierten ja zu Hause genug. Und auch ihre Nachfolger wissen es längst: In der Fremde ist bisher noch kein italienischer Fußballer so richtig glücklich geworden.
Fragt doch nach bei Giovanni Trapattoni, wie es ihm in Deutschland gefalllen hat. Gleich zweimal verpflichtete ihn der FC Bayern München. Hier machte der Titeljäger zwar im zweiten Versuch doch noch sein Bundesliga-Meisterstück, aber am Ende fühlte er sich als gescheitert: »Ich habe fertig«.
Das war nicht nur das Schlusswort in München, als er seine Spieler kritisiert hatte (»Was erlauben Struuunz?«), das stand auch unausgesprochen hinter seinem dritten und letzten Deutschland-Engagement. Der VfB Stuttgart und Trapattoni, ein millionenschweres Missverständnis.
Wie die Verpflichtung des Ruggiero Rizzitelli, der Ende der neunziger Jahre beim FC Bayern als die große Sturmverstärkung vorgestellt worden war. Und dann? Zu wenig Tore. Zu wenig Einsatz. Arrivederci. Dieser Angreifer passte einfach nicht in die Mannschaft und kehrte schnell wieder in seine Heimat zurück.
Heute steht in keinem der 18 Bundesliga-Aufgebote ein »echter« Italiener. Spieler wie Claudio Pizarro (Bayern München), Bordon (Schalke), Diego (Werder Bremen) und Barnetta (Leverkusen) haben zwar italienisches Blut in den Adern, sie laufen aber für Peru, Brasilien und die Schweiz auf.
Dabei wird der Ball-Markt immer bunter, vor allem England und Spanien locken die internationalen Asse an. Hier kicken sie aus aller Herren Länder. Brasilianer und Franzosen, Portugiesen, Schweden, Deutsche und Niederländer. Nur die Italiener, die waren bisher nicht gefragt - oder wollten gar nicht erst gefragt werden. Sie spielen in Mailand oder Turin, in Rom oder Florenz.
Alle 23 WM-Teilnehmer von 2006 verdienen ihr Geld in der Heimat. Auf eine so hundertprozentige Landes-Treue kam bei der Endrunde nur noch Saudi-Arabien, wo ebenfalls der komplette Kader aus den eigenen Klubs zusammengestellt werden konnte.
Das ändert sich beim Weltmeister. Jetzt. Sofort. Der Skandal und die personellen Konsequenzen: Kapitän Fabio Cannavaro will nicht mehr für Juventus Turin in der zweiten Liga verteidigen, er wechselt zu Real Madrid. Und auch Gianluca Zambrotta, ebenfalls Turin, hat in Spanien beim Champions League-Gewinner FC Barcelona unterschrieben.
Das sind aber erst zwei von 23. Ein paar Weltmeister könnten vielleicht noch folgen, doch die meisten bleiben trotz verschärfter Arbeitsbedingungen lieber in Italien. So haben Torwart Gianluigi Buffon und Mittelfeld-Ass Alessandro del Piero ihrer alten Dame »Juve« schon ewige Verbundenheit geschworen. Sie wollen mit Turin wieder aufsteigen. Auch Francesco Totti denkt nicht eine Sekunde daran, die Hauptstadt zu verlassen. Einmal Rom, immer Rom. AS heißt der Verein, »sein« Verein. Angebote sind da völlig sinnlos. Totti antwortet garantiert: »No.«
Zu Luca Toni, dem Torjäger aus Florenz, würde der FC Bayern München sofort »Ja« sagen. Aber hier stößt der Rekordmeister an nicht nur an seine finanziellen Grenzen. Manager Uli Hoeneß hat die Personalie Toni ausgeleuchtet und schnell wieder abgeschaltet: »Erstens ist der Mann für uns viel zu teuer, und zweitens will der sowieso zu Hause bleiben.«
Eben. In Bella Italia. Da ist es schön, da ist es sonnig. Da gibt es erstklassige Gehälter. Und immer prima Pasta bei Mama.

Artikel vom 29.07.2006