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Jugendliche sollen nicht in
die kriminelle Szene abgleiten

NRW-Justizministerin Müller-Piepenkötter startet drei Modellprojekte

Düsseldorf (dpa). Mit spezialisierten Staatsanwälten und beschleunigten Verfahren soll die Jugendkriminalität in Nordrhein-Westfalen eingedämmt werden. Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) stellte gestern in Düsseldorf drei Modellprojekte vor, die in den nächsten Jahren auf ganz Nordrhein-Westfalen ausgeweitet werden sollen.
Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter.
Durch eine individuellere Betreuung und Kontrolle von Erst- wie auch Intensivtätern sollen die Jugendlichen vor dem völligen Abgleiten in die kriminelle Szene bewahrt werden.
Beim Amtsgericht Remscheid soll demnächst ein erfahrener Jugendstaatsanwalt als ständiger Ansprechpartner für Polizei, Jugendrichter und Schulen seinen Dienst versehen. »Er kennt innerhalb kürzester Zeit seine Pappenheimer«, hob die Ministerin hervor.
Auf Straftaten seiner »Klientel« könne er dann in enger Abstimmung mit dem Jugendgericht, der Polizei, dem Jugendamt und Arrestanstalten schnell und erzieherisch wirksam reagieren. Statt ein Jahr auf eine Hauptverhandlung zu warten, könne ein Straftäter in einem vereinfachten Jugendverfahren nur wenige Tage nach seinem Fehltritt zum Arrest verurteilt werden.
Auf eine »sehr individuelle strafrechtliche Betreuung« bekannter Gesichter setzt auch das Kölner Intensivtäter-Projekt, das die Ministerin wissenschaftlich begleiten und dann breit umsetzen möchte. Bei der Staatsanwaltschaft Köln sind seit einem Jahr zwei Sonderdezernenten ausschließlich mit jugendlichen Mehrfachtätern beschäftigt.
Zurzeit werden dort 81 Intensivtäter in Kooperation mit allen zuständigen Jugend- und Justizbehörden betreut. »Das führt dazu, dass ein Täter bei erneuter Straffälligkeit immer wieder auf denselben Polizeibeamten, denselben Staatsanwalt und dasselbe Gericht trifft«, erläuterte Müller-Piepenkötter.
Bereits seit drei Jahren hat Mönchengladbach ein ähnliches, preisgekröntes Präventivprojekt vorzuweisen. Ein Drittel der insgesamt 63 seitdem betreuten Kinder und Jugendliche habe wegen einer positiven Verhaltensänderung aus der Intensivtäter-Liste gestrichen werden können, berichtete die Ministerin.
Das dritte Projekt heißt »Gelbe Karte«. Adressaten sind junge Kriminalitätseinsteiger, die abgefangen werden sollen, bevor sie auf die schiefe Bahn geraten. Dabei geht es um leichtere Delikte wie Ladendiebstahl, Graffiti-Schmierereien, Mofa-Friesieren oder Schwarzfahren. Die ertappten Minderjährigen erhalten kurz nach ihrem Fehlverhalten einen Termin für ein Anhörungsverfahren, an dem Polizei, Jugendamt und ein Staatsanwalt beteiligt sind. Zeigen sie dabei Einsicht, können sie etwa mit gemeinnütziger Arbeit davonkommen. Andernfalls wird sofort Anklage beim Jugendrichter erhoben.
»Die Ladung zu einem solchen Termin enthält die eindeutige Botschaft: Nach ÝGelbÜ kommt bei erneutem Fehlverhalten ÝRotÜ, also Jugendarrest oder sogar Jugendstrafe«, betonte Müller-Piepenkötter. Bislang gibt es in NRW nicht einmal zehn solcher Angebote.
Als Vorreiter startete vor fünf Jahren Remscheid. Inzwischen sind dort 1200 Jugendverfahren bearbeitet worden. »Erste Befunde weisen aus, dass 95 Prozent der beschuldigten Jugendlichen polizeilich nicht wieder in Erscheinung treten«, bilanzierte die Ministerin. Nach einer wissenschaftlichen Analyse der Vor- und Nachteile solcher Projekte im Raum Wuppertal und in Köln sollen die Angebote flächendeckend ausgeweitet werden.
www.justiz.nrw.de

Artikel vom 26.07.2006