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USA planen starke UN-Truppe von bis zu 30 000 Soldaten


Rice unternimmt zur Befriedung Libanons nach einer Waffenruhe

Jerusalem/Ramallah/Washington (dpa/Reuters). Ungeachtet aller Friedensbemühungen hat der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert seine Entschlossenheit betont, den Kampf gegen die radikal-islamische Hisbollah mit »härtesten Mitteln« fortzusetzen.

US-Außenministerin Condoleezza Rice bekräftigte bei ihrem Besuch bei Olmert wie auch bei einem Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ihre Forderung nach einer Waffenruhe, jedoch »nicht um jeden Preis«. Langfristiges Ziel sei ein »tragfähiger Frieden« in Nahost. »Wir sind sehr besorgt über das Leiden unschuldiger Menschen in der ganzen Region«, sagte Rice.
Nach Informationen des US-Nachrichtensenders CNN treten die USA für den Einsatz von mehr als 10 000 türkischen und ägyptischen Soldaten zur Befriedung des Libanons ein. Diesen Vorschlag habe Rice während ihres Kurzbesuchs in Beirut unterbreitet, berichtete der Sender unter Bezug auf Regierungsbeamte in Beirut. Rice habe diese Pläne auch mit der Regierung in Israel besprochen.
Die Truppen sollten nach diesem US-Plan unter NATO- oder UN-Kommando stehen und nach einer Waffenruhe stationiert werden. In einer zweiten Phase solle das internationale Kontingent auf 30 000 Soldaten aufgestockt werden und der libanesischen Armee helfen, die Kontrolle im bisher von der Hisbollah-Miliz kontrollierten Südlibanon zurückzugewinnen.
Palästinenserpräsident Abbas forderte auf einer Pressekonferenz mit Rice in Ramallah, Israel müsse seine Angriffe in den Palästinensergebieten und im Libanon sofort beenden. »Eine Waffenruhe muss erzielt werden, um diese katastrophale Situation zu beenden«. Abbas sagte, man bemühe sich um eine Freilassung des vor einem Monat in den Gazastreifen verschleppten israelischen Soldaten Gilad Schalit. Gleichzeitig erinnerte er an das Leiden der Familien von mehr als 8000 palästinensischen Häftlingen in israelischen Gefängnissen.
Bei seiner Bodenoffensive stand Israel gestern vor der Einnahme der Hisbollah-Hochburg Bint Dschbeil. Bei israelischen Luftangriffen wurden mindestens zwölf Menschen getötet. Ein israelisches Mädchen kam durch eine Hisbollah-Rakete ums Leben. Seit Beginn der Kämpfe sind mehr als 400 Libanesen und über 40 Israelis gestorben.
Israelische Kampfflugzeuge haben gestern den Südlibanon und den als Hisbollah-Hochburg geltenden Süden Beiruts bombardiert.
Beirut wurde am Nachmittag von fünf heftigen Explosionen erschüttert, während Raketen in die südlichen Vororte einschlugen. Auf Dörfer und Städte im Süden des Landes wurden libanesischen Sicherheitskräften zufolge gestern mehr als 100 Angriffe geflogen.
Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker hat zum Gebet für den Frieden in den Krisenregionen Libanon, Israel und Palästina aufgerufen. Die Beteiligten müssten eine Ausweitung des Konflikts verhindern. Er forderte zu einem »echten Dialog« auf.
In der großen Koalition und in der Opposition gibt es massive Vorbehalte gegen einen Einsatz deutscher Soldaten im Nahen Osten. Der SPD-Politiker Johannes Kahrs warnte, der Einsatz einer internationalen Friedenstruppe könne sich sehr schnell zu einem Dauerkonflikt mit der libanesischen Hisbollah-Miliz entwickeln. Der Sprecher des einflussreichen konservativen Parteiflügels Seeheimer Kreis stellte sich damit gegen SPD-Chef Kurt Beck und Verteidigungsminister Franz Josef Jung, die sich offen für eine deutsche Beteiligung gezeigt hatten. Auch Spitzenvertreter von FDP, Grünen und Linkspartei äußerten gestern Bedenken gegen einen Einsatz deutscher Soldaten. Wegen der Nahost-Krise kommt der Auswärtige Ausschuss des Parlaments morgen zu einer Sondersitzung zusammen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) soll das Gremium über die Bemühungen der Regierung zur Konfliktlösung unterrichten.

Artikel vom 26.07.2006