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Auf Beutezug bei
Bielefelds Justiz

Wachtmeister stiehlt im Amtsgericht

Bielefeld (hz). Ein Diebstahl, der sich finanziell noch nicht einmal gerechnet hat, wird einen Justizhauptwachtmeister wohl seine Stellung kosten. Ein Schöffengericht des Amtsgerichtes verurteilte den 37-Jährigen gestern zu einer Geldstrafe von 3250 Euro. Das Pikante daran: Der Bielefelder hatte ausgerechnet seinen Arbeitgeber, die Justizbehörden Bielefeld, bestohlen.

Wie es Anfang November vergangenen Jahres zum Verschwinden von zwölf Computer-Flachbildschirmen im Wert von 2844 Euro aus dem 5. Stock des Amtsgerichtes gekommen war, darüber machten der vom Dienst suspendierte Wachtmeister und seine Komplizen, zwei ehemalige Haftfreigänger, unterschiedliche Angaben. Dass die Ex-Häftlinge (25 und 26 Jahre alt) aus Bielefeld und Paderborn den früheren Kraftfahrer des Landgerichtes als Haupttäter belasteten, nutzte ihnen letztlich nichts. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Astrid Salewski verurteilte die beiden massiv einschlägig vorbestraften Angeklagten zu je neunmonatigen Haftstrafen ohne Bewährung.
Die Freigänger waren Anfang November 2005 als Hausarbeiter bei der Justiz beschäftigt gewesen. Ihren Aussagen zufolge soll der Hauptwachtmeister auf sie zugekommen sein und ihnen den Schlüssel zum Technikraum gegeben haben, wo die nagelneuen, originalverpackten Samsung-Bildschirme lagerten. An zwei Tagen Anfang November 2005 wurden die Bildschirme auf Rollwagen unter Müllsäcken versteckt abtransportiert und, so die Aussagen der zwei Angeklagten, in den Keller gebracht, wo der Wachtmeister die Beute in einen Kombi des Landgerichtes packte und wegbrachte. Für ihre Dienste wollen die zwei damaligen Hausarbeiter je 500 Euro erhalten haben.
Dagegen bestritt der 37-jährige Justizmitarbeiter, in seinen 17 Dienstjahren je über einen Schlüssel zum Technikraum im 5. Stock des Amtsgerichtes verfügt zu haben. Vielmehr seien die Freigänger auf ihn zugekommen und hätten die Bildschirme angeboten. Einigkeit herrschte dagegen über den weiteren Verbleib der Beute: Der Wachtmeister brachte das Computerzubehör zu einem 36-jährigen Bielefelder Freund, der die Bildschirme zu einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 180 Euro pro Stück im Internetauktionshaus Ebay versteigerte.
Nachdem der Diebstahl aufgeflogen war, brauchte die Kripo nach den Tätern nicht lange zu fahnden. Eine simple Produktsuche bei Ebay brachte sofort den gewünschten Erfolg, neun Bildschirme wurden anschließend beim 36-jährigen Bielefelder sichergestellt. Die restlichen drei hatte der Mann leider zerstört - sie waren ihm runtergefallen.
Nach Auszahlung der Komplizen hatte der Hauptwachtmeister am Diebstahl beim Arbeitgeber gut 200 Euro verdient. Er habe, bekannte der 37-Jährige gestern vor Gericht, über die Sinnlosigkeit seiner Tat, die ihn jetzt höchstwahrscheinlich die Stelle kosten wird, gar nicht weiter nachgedacht. Persönliche und finanzielle Probleme hätten den Ausschlag für den Diebstahl gegeben.
Argumente, die weder Oberstaatsanwalt Klaus Steffen und Vorsitzende Richterin Astrid Salewski nachvollziehen konnten. Der Wachtmeister habe seine Vertrauensstellung bei Gericht auf das Gröbste missbraucht, warfen beide dem Angeklagten vor. Und die Angelegenheit ist für den Bielefelder noch nicht ausgestanden - nach dem Prozess erwartet ihn jetzt ein Disziplinarverfahren seines Dienstherrn.

Artikel vom 25.07.2006