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Gefangen auf einem Boot

»Hwal - Der Bogen« ist ein spannungsgeladenes Kammerspiel


Seit zehn Jahren leben sie zusammen auf einem Fischerboot, der alte Mann (Jeon Sung-Hwan) und das Mädchen (Han Yeo-Reum). Als sie sechs Jahre alt war, hatte der Fischer sie zu sich genommen. Seitdem hat sie das Boot nicht mehr verlassen.
In drei Monaten soll die Hochzeit stattfinden, aber längst haben sich die beiden entfremdet. Stiller Hass keimt auf. Dann kommt ein junger Student an Bord, freundet sich mit dem wie eine Gefangene lebenden Mädchen an, und ein gnadenloses Drama scheint seinen Lauf zu nehmen.
Der 1960 geborene südkoreanische Regisseur Kim Ki-Duk, der bei uns vor allem mit seinem naturmystischen Epos »Frühling, Sommer, Herbst, Winter . . . und Frühling« (2003) und dem versponnenen Großstadtdrama »Bin Jip - Leere Häuser« (2004) bekannt geworden ist, hat mit »Hwal - Der Bogen« ein intensives, archaisches Kammerspiel für zwei Personen in Szene gesetzt.
Eine magische, überzeitliche Stimmung durchzieht diesen ungeheuer spannungsgeladenen Film, der wie ein Märchen aus uralter Zeit daherkommt.
Es ist immer wieder der Bogen, der die Erzählung strukturiert. Anfangs dient er als Musikinstrument, dem der alte Fischer sehnsuchtsvolle Klänge entlockt. Später dann wird der Bogen zu einer Art Schicksalsmacht. Touristen kommen an Bord, die etwas über ihre Zukunft wissen wollen. Von einem Beiboot aus schießt der Fischer Pfeile auf eine an die Außenbordwand seines Schiffes gemalte Buddha-Figur. Dabei sitzt das Mädchen in einer Schaukel und schwingt sanft vor der Figur hin und her. Wie ein Orakel flüstert sie dem Alten etwas ins Ohr, was dieser an die Touristen weitergibt. Hier wird ein bizarres Ritual sichtbar, in dem sich Schicksal, Tod und Eros überlagern.
Schließlich ist der Bogen eine tödliche Waffe, mit der sich der Fischer gegen Eindringlinge wehrt, die seiner Pflegetochter zu nahe kommen.

Artikel vom 27.07.2006