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Tiger zeigt seine
wunde Seele

Woods: »Vermisse meinen Vater«

Liverpool (dpa). Tränen der Trauer - Emotionen des Glücks: Als Tiger Woods die Arme nach dem letzten Putt zu seinem dritten Sieg bei der British Open Championship in Royal Liverpool in den Himmel stieß, schüttelten den besten Golfprofi der Welt Weinkrämpfe.
Und unbeschreibliche Empfindungen des Glücks. In den Armen seines Caddies und Freundes Steve Williams ließ der US-Superstar den Gefühlen nach dem elften Major-Titel seiner genialen Karriere freien Lauf.
Für einen Moment vergaß er die 250 000 Menschen, die den Tiger auf Schritt und Tritt bei seinem Triumphmarsch »in eine andere Welt« begleitet hatten. Wie in Trance nahm der 30-Jährige die »Silberne Rotweinkanne« (Claret Jug) nach vier Runden immer an der Spitze der machtlosen Konkurrenz in den Arm und küsste die Trophäe. »Ich bin völlig leer und kraftlos«, bekannte der grenzenlos ehrgeizige, rastlose Jäger seiner eigenen Rekorde, der seit dem Tod seines Vaters Earl unter der Trennung unglaublich gelitten hat.
Dem Dominator konnte beim Sieg mit 270 Schlägen auf dem Par 72-Kurs an der Irischen See keiner folgen. Weder sein Landsmann Chris DiMarco (272) noch der Südafrikaner Ernie Els (275). Beide hatten auf eine entscheidende Schwäche des cool kalkulierenden Strategen gewartet. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass DiMarco, der beim Masters-Sieg von Woods 2004 im Playoff am Tiger gescheitert war, Anfang Juli seine Mutter verloren hatte: »Sie war dabei. Ich habe es gespürt.«
»Ich glaube, dass meine Gefühle bis zum letzten Schlag geblockt waren. Ich vermisse meinen Vater so sehr. Er hat mich auf jeder Runde gedanklich begleitet und immer geraten, die Emotionen nicht vor dem letzten Putt heraus zu lassen. Er wäre sehr stolz gewesen.«
Mit elf Major-Siegen zog Woods mit dem legendären Walter Hagen (USA) gleich und kam seinem Mentor Jack Nicklaus einen weiteren Schritt näher, der mit 18 Siegen immer noch unerreichbar scheint. Mit 30 Jahren hat Woods aber so viel erreicht, wie keiner vor ihm im selben Alter. Nach elf Jahren ist der teuerste Sportler der Welt, Werbe- und Prämien-Millionär, der im Jahr 80 Millionen Dollar verdient, wieder in seiner Welt. Dazwischen lagen zwei Jahre des Umbruchs, als er seinen Nimbus der Unbesiegbarkeit z und die Branchenführung an Vijay Singh (Fidschi) verlor.

Artikel vom 25.07.2006