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Unglück am letzten Abend

Vor 50 Jahren sank der italienische Luxusliner »Andrea Doria«


Washington/Stuttgart (dpa). »Alles klar auf der Andrea Doria« sang einst Rockbarde Udo Lindenberg, und so soll auch einer der letzten Funksprüche gelautet haben, bevor der italienische Luxusliner am 25. Juli 1956 mit dem Passagierdampfer »Stockholm« kollidierte und unterging. Etwa 50 Menschen, die meisten davon Passagiere des italienischen 30 000-Tonnen-Schiffes, sterben.
Zwar waren beide Schiffe mit modernstem Radar ausgerüstet, aber angeblich soll der Kapitän der schwedischen »Stockholm« in die falsche Richtung ausgewichen sein. Ganz geklärt worden ist die Ursache für den Zusammenstoß nie. Der Todeskampf der »Andrea Doria« selbst dauert elf Stunden - dann kentert sie und versinkt. Das Wrack liegt noch heute in 70 Meter Tiefe auf Grund.
»Wir feierten Abschied, als es kurz vor Mitternacht furchtbar krachte und das ganze Schiff bebte. Tausende schöne italienische Gläser zersplitterten, und der gute Rotwein fiel zu Boden.« Klaus Dorneich erinnert sich noch genau an den Moment vor 50 Jahren. Der damals 26 Jahre alte frisch gebackene Volkswirt ist auf dem Weg nach Mexiko, um seine erste Arbeitsstelle beim Autobauer Daimler Benz anzutreten.
Die Passagiere waren fröhlich, aufgekratzt, denn morgen würden sie in New York sein. Um 23.06 Uhr passiert es: Wie ein Riesendolch bohrt sich der »Stockholm«-Bug in die Rumpfseite der »Andrea Doria« und schlitzt sie auf. Wasser stürzt in die zu diesem Zeitpunkt fast leeren Treibstofftanks.
Zum Glück ist die 212 Meter lange und 30 Meter breite »Andrea Doria« nur noch etwa 200 Seemeilen von der US-Ostküste entfernt. In kürzester Zeit sind andere Schiffe in der Nähe, die die Passagiere des Havaristen aufnehmen. »Es ist niemand ertrunken«, erzählt Dorneich. »Die Toten waren alle in der ersten Klasse zu beklagen, deren Kabinen sich an der Stelle befanden, wo der Bug der ÝStockholmÜ eindrang.«
Die mitternächtliche Schiffskatastrophe von 1956 hat bei Dorneich kein Trauma hinterlassen. Im Gegenteil: Insgesamt noch 72 Mal überquert er den Nordatlantik. Und als Rentner frönt er erst recht seiner Reiselust: Der heute 76-Jährige lässt sich immer wieder als »Reiselektor« für exquisite Kreuzfahrten anheuern.

Artikel vom 26.07.2006