25.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Flüchtlingsansturm auf Zypern

Israelische Armee liefert sich heftige Kämpfe mit der Hisbollah-Miliz

Beirut/Nikosia (dpa). Der UN-Nothilfekoordinator Jan Egeland hat Israel und die radikal-islamische Hisbollah-Organisation gestern wegen ihrer fehlenden Rücksichtname auf die Zivilisten im Libanon kritisiert. Bei einem Besuch in Beirut verlangte er die unverzügliche Einstellung der Feindseligkeiten.

Die Europäische Union befürchtet einen noch stärkeren Ansturm von Libanon-Flüchtlingen auf Zypern, der die kleine Mittelmeerinsel überfordern könnte. Das betonte der EU-Ministerrat in Brüssel in einem Lagebericht.
Nach zyprischen Behördenangaben sind bislang mehr als 35 000 Ausländer auf der Insel eingetroffen. Insgesamt rechnen die zyprischen Behörden mit 70 000 Flüchtlingen - und dies zur Hauptferienzeit auf der Insel. Allein gestern morgen habe ein Dutzend Schiffe mehr als 1000 Kanadier gebracht.
»Es ist falsch, die Zivilbevölkerung zu bombardieren«, sagte Egeland bei der Besichtigung von Lagern für Libanesen in Beirut, die vor den israelischen Luftangriffen auf südlibanesische Dörfer und auf die südlichen Vorstädte von Beirut geflohen waren. »Es ist auch falsch, wenn die Hisbollah weiter Raketen auf Gebiete in Israel abschießt.«
Auch im Brüsseler Bericht heißt es, die humanitäre Lage im Libanon habe sich »ernsthaft verschlechtert«. Gleichzeitig warnte der EU-Ministerrat, für zehntausende Asiaten und Afrikaner im Libanon führe die Hauptroute aus dem Krisengebiet derzeit über Syrien. Diese Route berge ein »politisches Risiko«, obwohl Syrien die Evakuierung bisher aktiv erleichtert habe. Bei einer Blockade des Weges nach Syrien könnte der Fluchtweg nach Zypern aktuell werden, heißt es in dem vertraulichen Papier, über das die Botschafter der 25 EU-Staaten berieten.
»Die Verwendung des Seekorridors für eine systematische Evakuierung für Nicht-EU-Bürger über Zypern wird derzeit wegen der europäischen Einwanderungsbestimmungen und aus logistischen Gründen nicht als machbar angesehen«, hieß es. Im Libanon leben laut Ministerrat derzeit 40 000 Arbeitnehmer aus Sri Lanka, 10 000 aus Bangladesch, bis zu 40 000 von den Philippinen und bis zu 80 000 aus Äthiopien.
In der südlibanesischen Hafenstadt Tyrus haben sich insgesamt 200 Deutsche und andere EU-Ausländer versammelt, um sich mit einem von der Bundesregierung geschickten Schiff in Sicherheit zu bringen. Seit Beginn der Kampfhandlungen haben 5500 Deutsche und ihre libanesischen Angehörigen das Land per Schiff oder auf dem Landweg über Syrien verlassen.
Die israelische Armee hat sich bei einer Ausweitung ihrer Offensive auf die südlibanesische Hisbollah-Hochburg Bint Dschbeil heftige Gefechte mit der schiitischen Miliz geliefert. Hisbollah-Kämpfer versuchten gestern, einen israelischen Panzervorstoß auf die Grenzstadt abzuwehren. Dabei wurden mindestens zehn israelischen Soldaten verwundet, wie das israelische Militär mitteilte. Die Hisbollah feuerte erneut Raketen auf nordisraelische Ortschaften und Städte ab.
Hisbollah-Führer Scheich Hassan Nasrallah erklärte, die israelischen Militärvorstöße hielten seine Organisation nicht davon ab, weiter Raketen auf Nordisrael abzuschießen. »Wohin auch immer Israel vorrückt, es wird keinen politischen Gewinn daraus ziehen«, sagte Nasrallah.
Die israelische Armee vermutete in Bint Dschbeil mehrere hundert Kämpfer der radikalen Hisbollah-Miliz. Die israelische Armee nahm in dem südlibanesischen Grenzdorf Marun al Ras erstmal seit dem Beginn der Kämpfe zwei Hisbollah-Kämpfer gefangen.
Deutschland kann nach den Worten von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) in letzter Konsequenz eine Beteiligung an einer Nahost-Friedenstruppe nicht verweigern.

Artikel vom 25.07.2006