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»Schreier« Dunga
gibt die Befehle

Brasilien kopiert deutsches Konzept

Rio de Janeiro (dpa). Nach der Schlappe bei der WM 2006 probt Brasilien das deutsche Rezept. Der neue Nationalcoach des fünffachen Weltmeisters ist - wie Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann - ein früherer Spieler des VfB Stuttgart, der ohne jede Trainererfahrung ins kalte Wasser geworfen wird.

Völlig überraschend wurde der frühere Nationalspieler Carlos Dunga zum Nachfolger von Carlos Alberto Parreira ernannt. Das gab der Präsident des Nationalverbandes CBF, Ricardo Teixeira, in Rio de Janeiro bekannt.
Der 42-Jährige, der mit bürgerlichem Namen Carlos Caetano Bledorn Verri heißt, war in seiner Profilaufbahn unter anderem Kapitän der brasilianischen Mannschaft, die 1994 in den USA den vierten WM-Titel holte. Dunga wird sein Debüt als Seleção-Trainer am 16. August beim Freundschaftsspiel in Oslo gegen Norwegen feiern. Die Polemik hat im fußballverrückten und heißblütigen Land aber schon angefangen.
»Ich sage dazu lieber nichts, aber vielleicht nur eines: ich bin perplex«, meinte etwa der Nationaltrainer von 2001, Emerson Leão. Bei einer Umfrage des Portals der Zeitung »Folha de Sao Paulo« sprachen sich rund 60 Prozent gegen die Ernennung von Dunga aus. Dunga sei als Trainer ein Fragezeichen, sagte Ex-Nationalspieler Cesar Sampaio.
Andere wiederum hoffen, dass Dunga die Führungs- und Kämpfer-Qualitäten, die er als Spieler (genannt »Chef« oder »Schreier«) hatte, auch auf der Trainerbank zeigen kann. »Ein guter Trainer muss den Mut haben, auch Ronaldo oder Ronaldinho mal auf die Bank zu setzen, wenn die nichts bringen. Parreira hat die Stars zu sehr geschützt«, meint Ex-Nationalverteidiger Oscar.
»Ich möchte, dass die Spieler der Nationalmannschaft mit dem Willen und der Hingabe auftreten, die ich immer als Spieler gezeigt habe. Der Siegeswille ist unentbehrlich, wenn man das Nationaltrikot von Brasilien tragen will«, sagte der frühere defensive Mittelfeldmann Dunga in Richtung seiner künftigen Schützlinge.
Teixeira begründete seine Entscheidung für einen Mann, dessen Name nie unter den Anwärtern aufgetaucht war, mit den Worten: »Die Fans wollten einen Trainer, der mitfiebert - nun haben sie ihn.« Teixeira hatte zuvor dem Weltmeistertrainer von 2002, Luiz Felipe Scolari, erfolglos die Rückkehr nach Brasilien angeboten.
Bereits jetzt, so Teixeira, beginne in Brasilien die Planung für die WM 2010 in Südafrika und für die übernächste Weltmeisterschaft, die 2014 möglicherweise in Brasilien ausgetragen wird.

Artikel vom 26.07.2006