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Zwölfjähriger überlebt Martyrium

Verschleppt, missbraucht und geschlagen: Vorbestrafter gesteht

Von Juliane Albrecht
Münster/Legden (dpa). Entführt, gefesselt und missbraucht: Der verschleppte zwölfjährige Schüler aus Nordrhein-Westfalen hat in den Händen eines Sexualstraftäters ein stundenlanges Martyrium erleiden müssen.

Der einschlägig vorbestrafte Mann (43) hatte das Kind am Samstagabend in Legden in seine Gewalt gebracht und laut Staatsanwaltschaft in einem Wohnwagen schwer misshandelt. Erst gestern wurde das ganze Ausmaß seiner Qualen bekannt. Am Sonntag hatte sich der Junge selbst aus seinem Gefängnis auf einem Campingplatz in Ibbenbüren befreit. »Er war die ganze Nacht und länger dort eingesperrt«, sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer in Münster.
Die Vorwürfe im Haftantrag lauten auf sexuellen Missbrauch, Vergewaltigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Mit Schlägen habe der umfassend geständige 43-Jährige den Jungen gefügig gemacht, ihn im Wohnwagen gefesselt, um sich dann sexuell an ihm zu vergehen. Der Mann hatte früher bereits wegen sexuellen Missbrauchs an einem Kind eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verbüßt.
Der Zwölfjährige hatte am Samstag gemeinsam mit zwei Freunden ein Kart-Rennen besucht. Als es nach Hause gehen sollte, wurden die drei laut Schweer von dem 43-Jährigen angesprochen. Er lud sie ein zu einer Fahrt mit einem Lamborghini. Einer der Jungen lehnte ab, die zwei anderen fuhren mit. Während der Fahrt ließ der Mann durchblicken, dass aus dem Ausflug mit der Luxuskarosse nichts werden würde und brachte einen Jungen nach Hause.
Der Zwölfjährige hingegen kam nicht in seinem Elternhaus im Raum Legden an. Gegen 22 Uhr am Samstagabend ging die Vermisstenmeldung der Polizei raus. Zu der Zeit war der 43-Jährige mit seinem Opfer wohl bereits auf dem Campingplatz im etwa eine Stunde entfernten Ibbenbüren, wo das Martyrium des Jungen begann.
Die Ermittler hätten den Vermisstenfall gleich sehr ernst genommen: »Die Befürchtung, es könnte Schlimmeres passiert sein, war schon früh im Hinterkopf«, betonte Schweer. Zu Hilfe kamen dem mehrköpfigen Ermittlerteam in Münster die Schulkameraden des Entführten, die den Mann gesehen hatten und auf einem Foto identifizieren konnten. Seine Kleidung verriet ihn zudem als Mitarbeiter am Stand des Automobilclubs ADAC bei dem Kartrennen. Als der ADAC seine in Legden eingesetzten Helfer benannte, fiel der Polizei sofort der Name des 43-Jährigen im Strafregister auf. Die Jagd begann.
Am Sonntagnachmittag meldete sich der Mann bei der Polizei und spielte zunächst den Ahnungslosen. Während die Ermittler den Mann in Münster verhörten, kämpfte sich der Zwölfjährige aus seinen Fesseln und dem Wohnwagen frei. Eine Passantin nahm sich des misshandelten Schülers an. Auch wenn es die eher leichten körperlichen Verletzungen des Zwölfjährigen nach den Worten Schweers zuließen, dass der Junge schnell wieder zu seinen Eltern durfte - die psychischen Folgen der stundenlangen Qualen dürften lange andauern.

Artikel vom 25.07.2006