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Odyssee beendet: Die
Taktaks überglücklich

Flucht aus dem Libanon findet ein gutes Ende

Von Jürgen Rahe und
Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). »Wir sind überglücklich, dass die viertägige Odyssee von Ramy aus dem Libanon ein gutes Ende gefunden hat - und wir danken Gott.« Das sagen unisono Ramy Taktak (27) und seine Ehefrau Kendra (30), die im heimischen Hillegossen unzählige Stunden lang um das Leben ihres Mannes gefürchtet hatte (das WESTFALEN-BLATT berichtete mehrfach).

Als der gebürtige Libanese Ramy Taktak, der seit vier Jahren in Deutschland lebt, in Bielefeld Kendra Stokkamp kennen- und lieben lernte und sie ein Jahr später in seiner libanesischen Heimat heiratete, am Samstag um 11 Uhr auf dem Hannoveraner Flughafen Langenhagen mit einer türkischen Airline sicher landet, kann er erstmals tief durchatmen. Aller Stress der vergangenen Tage ist - zumindest äußerlich - mit einem Schlag verflogen, die viertägige abenteuerliche Flucht von seiner libanesischen Heimatstadt Zahle über den Umweg Syrien beendet.
In Hannover in Empfang genommen wird der junge Mann, der vor gut vier Wochen eigentlich nur seine Eltern und einen guten Freund im Libanon besuchen wollte und dann vom plötzlichen Kriegsausbruch wie so viele Menschen in dieser Region völlig überrascht wurde, von seinen deutschen Schwiegereltern, Ulrich und Cornelia Stokkamp. Ehefrau Kendra: »Ich wäre natürlich gern mitgefahren, aber aus beruflichen Gründen ging das leider nicht.«
Aber keine fünf Stunden später kann die gebürtige Bielefelderin Ramy überglücklich in die Arme schließen, und sie will ihn am liebsten gar nicht mehr los lassen. Erst jetzt »öffnet« sich Ramy, und er berichtet, dass das ganze Elend, die Nahost-Krise im Libanon, viel größer sei, als er zuvor per SMS und Handy zugegeben hatte. »Die israelischen Angriffe auf den Libanon, das Raketenbombardement und die vielen gefallenen Menschen habe ich mit eigenen Augen oder im arabischen Fernsehen hautnah mitbekommen. Es ist alles sehr schrecklich, und ich werde einige Zeit benötigen, um dies alles zu verarbeiten.«
Ramy Taktak glaubt, dass die von den Israelis geforderte Freilassung zweier ihrer entführten Soldaten nur ein vorgeschobener Grund für die mögliche Waffenruhe ist. »Ich bin der Überzeugung, Israel will die libanesische Hisbollah-Miliz zerstören.«
Ramys Mutter Souad hatte noch versucht, ihren Sohn von der Flucht mit dem Auto abzuraten. Doch für Ramy steht vergangenen Dienstag fest: »Jetzt oder nie, schließlich möchte ich zu meiner Frau zurück und mir einmal in Bielefeld eine sichere Existenz aufbauen.« Der Mut wird belohnt, denn zwei Stunden, nachdem Ramy aufgebrochen ist, wird die einzige Straße, die von Zahle in Richtung Syrien führt, von Raketen zerstört. Er habe in der Krisenregion zwar nicht hungern müssen, verrät Ramy wieder daheim, »aber angesichts des vielen Elends ist Essen für mich eine völlige Nebensache gewesen.«
Jetzt aber kann Ramy Taktak in Ruhe wieder auftanken. Schon bald wird sich der junge Mann kulinarischen Genüssen widmen. Nachdem er sein Sprachstudium in Bielefeld erfolgreich beendet hat, wird sich nun eine dreijährige Kochausbildung anschließen. Und Kendra Taktak freut sich darüber ebenfalls riesig: »Im neuen Restaurant ÝGlückundseligkeitÜ ist für Ramy ein Ausbildungsplatz frei. Er kann dort schon in Kürze beginnen.«
Das glückliche Ehepaar hofft wie so viele Menschen, dass im Libanon so schnell wie möglich die Waffen schweigen und der Frieden zurückkehrt. »Wir sind mit den Gedanken bei unseren Angehörigen und wünschen sehnlichst, dass keinem ein Leid zugefügt wird. Wir möchten alle gesund und munter wiedersehen.«

Artikel vom 24.07.2006