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Fixsterne und ein Star
Dicht
am
Rad

Von Klaus Lükewille

Diese Amerikaner in Paris, immer die Ersten. Sieben Siege feierte Lance Armstrong, jetzt erreichte Floyd Landis im Gelben Trikot die Champs Elysees. Tour-Triumphe, direkt vor dem Triumphbogen. Das Sternenbanner flatterte, aber unter einem guten Stern stand die Frankreich-Rundfahrt 2006 nicht.
Denn als vor drei Wochen noch keiner in die Pedale getreten hatte, da musste ein Favorit schon absteigen. Verbannt und »verbrannt«. Jan Ullrich, jahrelang der strahlende »Fix-Stern« dieses Klassikers, er verglühte im Doping-Dickicht. Vor dem Start die Suspendierung, vor dem Finale die Kündigung. Sein Arbeitgeber T-Mobile zog Konsequenzen, um die Ruf-Schädigung zu begrenzen.
Der Fall und der Sturz des Jan Ullrich, er überschattet aber weiter die erstaunlichen Ergebnisse, die T-Mobile trotz des ausgemusterten Kapitäns bei der Tour erzielte: Platz eins in der Team-Wertung, Doppel-Sieg beim schweren Zeitfahren am Samstag, Andreas Klöden als Dritter auf dem Podium. Das ist angesichts des Ullrich-Wirbels äußerst bemerkenswert.
Also alles halb so schlimm?
Der erneute Image-Erschütterung für die Branche bleibt gewaltig. Aber: Seinen guten Ruf konnte der Radsport bei der Tour 2006 ohnehin nicht mehr verlieren, den hatte er noch nie. Zwei ewige Fragen bleiben: Wer ist gedopt? Wer ist ehrlich?
Der Verdacht fährt immer mit. Er wird durch Geständnisse und Tests leider stets wieder neu bestätigt - und er hat sich ausgeweitet. Auf alle. Deshalb muss auch der gefeierte Sieger Floyd Landis damit leben, wenn Zweifel angemeldet werden.
Denn wie ist es möglich, dass er an einem Tag bei der Bergankunft fast zehn Minuten verliert, und 24 Stunden später dem Feld auf einer noch schwereren Alpen-Etappe leicht und locker davon jagt? Die einfache Antwort wäre: Zuerst ein schlechter Tag, dann ein guter Tag.
Die zweite Möglichkeit: Mal ohne Mittel? Mal mit Mittel?
»Blutsbrüder«, Betrüger, Lügner und faire Fahrer, sie sitzen gemeinsam im Sattel. Das Rennen geht weiter. Das Dopen geht weiter. Doch trotz verglühter Sterne: Diese Tour de France bleibt ein Star. Sie hat auch das schwere Jahr 2006 überstanden.

Artikel vom 24.07.2006