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Autovermieter in Angst
vor Grundsatzurteil

Landgericht und BGH: Unfallersatztarife fragwürdig

Bielefeld (uko). Deutschlands Autovermieter richten bange Blicke nach Bielefeld: Das Landgericht bereitet eine Musterentscheidung über die sogenannten Unfallersatztarife vor. Der Präzedenzfall könnte die gängige Praxis der Autovermietungsfirmen kippen.

Muß das Opfer eines unverschuldeten Unfalls während der Reparatur auf den eigenen Wagen verzichten, so kann es sich einen Wagen mieten. In der Regel gibt es Absprachen zwischen Autoverleihern und Versicherungen. »Bis 1990 wurde in gegenseitigem Einvernehmen abgerechnet«, sagt der Bielefelder Rechtsanwalt Falk Held. Dann »wurden die Unfallersatztarife erfunden, und die Schere zwischen den Normaltarifen der Autovermieter und ihren Unfallersatztarifen ging immer weiter auseinander - zuletzt wurden für diese Sondertarife bis zu 400 Prozent Aufschlag verlangt.«
Die Assekuranzen waren immer weniger bereit, diese in ihren Augen überteuerten Tarife zu bezahlen. Der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch entschied 1996, Unfallgeschädigten seien in jedem Fall die Mietwagenkosten zu erstatten. Falk Held: »Das hat der Versicherungswirtschaft geschadet, weil die Assekuranzen stets in Vorlage treten mussten.«
2004 kam die Kehrtwendung: Die BGH-Richter entschieden, es sei zu prüfen, ob und inwieweit ein Unfallersatztarif als erforderlicher Aufwand zur Schadensbeseitigung angesehen werden kann. Die Bielefelder 21. Zivilkammer nahm diese höchstrichterliche Maßgabe zum Anlaß, in einem konkreten Fall endlich eine Klärung herbeizuführen: Der Bielefelder Ulrich D. war am 28. Dezember 2003 unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt worden. Acht Tage hatte er zum Unfallersatztarif bei einer Bielefelder Autovermietung einen Wagen in Anspruch genommen. Kosten: 1800 Euro. Die Württembergische Versicherung, die Assekuranz des Unfallverursachers, erkannte die Haftung zwar an, zahlte jedoch für den Mietwagen nur 990 Euro.
Das Landgericht entschied: Nach dem Willen des BGH sei mit sachverständiger Hilfe zu prüfen, ob der Unfallersatztarif gegenüber dem Normaltarif aus betriebswirtschaftlichen Gründen einen höheren Preis rechtfertigt.
Das Ergebnis des Gutachters blieb vage: Verteuerungen seien üblich, wenn Autos während der Nacht- und Notdienstzeiten angemietet würden. Vermietungen seien auch teurer, wenn die Abrechnung der Assekuranzen mehrere Monate dauere und die Autovermieter in finanzielle Vorlage getreten seien.
Und dann dies: Mit schwarzen Zahlen könne der Bielefelder Autovermieter nur rechnen, sofern das Geschäft weiterhin zum großen Teil mit den umstrittenen Unfallersatztarifen laufe.
Dazu das Neueste aus Karlsruhe: Im Februar 2006 entschied der BGH, die betriebswirtschaftliche Seite sei »nicht exakt auszuloten«. Werden nach einem Unfall auf den Normaltarif 20 Prozent aufgeschlagen, sei dies akzeptabel.
Die Bielefelder Richter wollen das Verfahren trotzdem als Präzedenzfall zu Ende führen. Die Entscheidung wird im August erwartet. Az. 21 S 290/04

Artikel vom 21.07.2006